Auf der Leinwand, da sind die Räuber

Das 54. Berliner Theatertreffen endete... im Kino. Die 3Sat-Aufzeichnung der Münchner „Räuber“, die in Berlin nicht gezeigt werden konnten, gewährte jedoch ganz eigene Perspektiven auf eine der spektakulärsten Inszenierungen der Saison.

Das 54. Berliner Theatertreffen endete… im Kino. Die 3Sat-Aufzeichnung der Münchner „Räuber“, die in Berlin nicht gezeigt werden konnten, gewährte jedoch ganz eigene Perspektiven auf eine der spektakulärsten Inszenierungen der Saison.

Die Inszenierung ist so simpel – und dies keinesfalls im negativen Sinne – wie wirkungsvoll. Das Bühnenbild, zwei Laufbänder-Konstruktionen, die so gar nicht simpel sind, setzt die Rahmung. Dies ist der Grund, weshalb die Inszenierung der „Räuber“ vom Münchner Residenztheater aus technischen Gründen nicht auf der Bühne der Berliner Festspiele gezeigt werden konnte. Stattdessen wurde die 3Sat-Aufzeichnung der Inszenierung gezeigt. Zwei Regien an einem Abend. Ulrich Rasches Regie der Inszenierung und Peter Schönhöfers Regie der Aufzeichnung. Welch glücklicher Umstand, dass es gerade diese Inszenierung ist, die als Film bemerkenswert gut funktioniert. Wie passend, dass die Filmmusik von der Inszenierung gleich mitgeliefert wird. Streicher, Bass und Pauke untermalen die Szenerie. Es ist bedrohlich, von Anfang an. Die beiden riesigen drehbaren Laufbänder geben den Takt der Inszenierung vor. Die Maschine setzt eine Maschinerie in Gang. Die Schauspieler sind gezwungen, sich dem Takt der Maschine zu beugen, wenn sie nicht fallen wollen. Ein starkes Bild über die gesamte Inszenierung hinweg.

Immersiv-emotionale Atmosphäre

Der Chor der Räuber ist die zweite große ästhetische Setzung des Abends, der Bilder einer faschistoiden Ästhetik evoziert. Marschierende schwarze Stiefel, schwitzende Männerkörper, die chorisch sprechen, dunkle Farben, Blut und Nebel im Hintergrund, flammend orange beleuchtet.

Es ist schwer, sich dieser Überwältigungsästhetik zu entziehen. Die Stilmittel der Inszenierung entwickeln eine enorme Kraft, die den Zuschauer aber auch mit einem gewissen Unbehagen zurücklässt. Es wird eine immersiv-emotionale Atmosphäre erzeugt, vor deren Gefallen man zurückschreckt. Was ist die Angriffsfläche dieser Ästhetik? Die Frage der Reproduzierbarkeit faschistischer Bilder, in Zeiten, in denen sich politische Gruppen einer solchen Ästhetik bedienen, steht im Raum. Aber letztere skandieren eben nicht Schiller. Der Text steht dem formal-ästhetischen Zugriff entgegen und reflektiert diesen und die Einfachheit der Mittel gleichsam mit.

Dies geschieht auf der Bühne des Münchner Residenztheaters. In Berlin aber wird die Aufzeichnung gezeigt. Eine ganz eigene Regie und eben ein ganz eigenes künstlerisches Produkt.

Die Spucke des Franz Moor

Die Kamera gibt der Inszenierung eine ganz eigene Dynamik und auch eine erweiterte Ebene der Qualität, was den Möglichkeiten des Mediums an sich und nicht der Inszenierung Rasches geschuldet ist. Was sicherlich auch im permanentem Totalblick des Theaterzuschauers wirkungsvoll funktioniert, wird durch die Lenkung des Blicks durch die Kamera in der filmischen Inszenierung durch Draufsichten und Close-Ups noch verstärkt. Nahaufnahmen der technischen Details des Bühnenbildes, der marschierenden Stiefel erzeugen wirksame Bilder, die denen der Inszenierung an sich nicht entgegen stehen, sondern eine ganz eigene ästhetische Zugriffsweise darstellen. Auch in den Close-Ups der Schauspieler, die ohne die Kamera mehr im Panorama der Maschinerie stehen würden, fängt das Filmbild trotz der Grenzen, die die Form des Abends setzt, ein sehr detailreiches Spiel des herausragenden Ensembles ein: Wenn etwa die Spucke dem geifernden Franz Moor (glänzend gespielt von Katja Bürkle) permanent aus dem Mund tropft, fürchtet man durch die Nahaufnahmen fast um die eigene Garderobe.

Die beiden Medien Film und Theater miteinander zu vergleichen, wird zu keinem Ergebnis führen, da sie mit unterschiedlichen Mitteln operieren. Die Aufzeichnung ist eben ein ganz eigenes künstlerisches Produkt, die Inszenierung auf der Bühne ein anderes. Bemerkenswert an diesem Kinoabend zum Abschluss des Theatertreffens ist jedoch, dass ausgerechnet eine Inszenierung, die sich – im Gegensatz zu vielen der anderen eingeladenen Inszenierungen – ganz auf die Mittel verlässt, die dem Theater eigen sind, trotzdem wie gemacht scheint für den Blick der Kamera.

 

Die Räuber
von Friedrich Schiller
Regie und Bühne: Ulrich Rasche, Komposition: Ari Benjamin Meyers, Kostüme: Heidi Hackl, Chorleitung: Alexander Weise, Choreinstudierung: Toni Jessen, Mitarbeit Bühne: Sabine Mäder, Licht: Gerrit Jurda, Dramaturgie: Sebastian Huber.
Mit: Götz Schulte, Katja Bürkle, Franz Pätzold, Nora Buzalka, Thomas Lettow, Max Koch, Leonard Hohm, Marcel Heuperman / Alexander Weise, László Branko Breiding, William Bartley Cooper, René Dumont, Toni Jessen, Moritz Borrmann, Yasin Boynuince, Kjell Brutscheidt, Emery Escher, Max Krause, Bekim latifi, Cyril Manusch, Sandro Schmalzl (Tenor), Martin Burgmair (Bassbariton), Gustavo Castillo (Bassbariton), Mariana Beleaeva (Violine), Jenny Scherling (Viola), Heiko Jung (E-Bass), Fabian Löbhard (Percussion).
Dauer: 3 Stunden 20 Minuten, eine Pause

http://www.residenztheater.de/

Fernsehaufzeichnung für 3Sat in der Regie von Peter Schönhöfer

–––

Marie-Theres Rüttiger

Alle Artikel