Das elfte Element

Was vom tt11 bleibt, lässt sich in wenigen oder vielen Sätzen sagen. Was von uns Bloggern bleibt, ist knapper und kryptischer: #tt11. Mit diesem Hashtag auf Twitter wollen wir zur Spur im Netz werden, auch dann, wenn wir schon wieder in alle Welt verstreut sind. Doch weil das tt 11 aus und vorbei ist, braucht das Kürzel eine neue Bedeutung am besten für die Ewigkeit. Nur welche?

tt und 11. Und jetzt? Bei tt denkt man an Audi, bei 11 an 9/11. Nicht gut. Zu belastet. Lieber bei uns selber suchen. Also: Unser Blogger-Jahrgang war diejenige, der das Live-Bloggen aus dem Theater salon- oder zumindest theatertreffenfähig gemacht hat. Aber nicht ohne harsche Gegenkritik. „Das ist doch wie ein Liveticker beim Fußball!“, hörte man von allen Seiten. Und schon ist eine Bedeutung da. 11, das ist eine Mannschaft, in der jeder anders spielt, doch mit Position. #tt11, das bedeutet Echtzeit und Gegenwärtigkeit, auch im Theater.

Und überhaupt: Warum nicht Fußball? Etwas von der überschäumenden Begeisterung und gesellschaftlichen Relevanz, die Fußball hat, könnte auch das Theater gebrauchen. Emotion und Energie! Interkulturelle Verbrüder- und schwesterung statt blutleerer Verkopfung! Soziale Durchlässigkeit statt Elite! #tt11! Und warum nicht den Gedanken durchspielen, dass auch Theater wieder zu einer Naturgewalt werden könnte, wie es der Fußball ist – ein Element, das bewegt, berührt, Kräfte entfesselt? Theater, das elfte Element.

11 könnte aber auch für die mysteriöse 11. Inszenierung des Theatertreffens stehen, für das am heißesten diskutierte Stück, das jedes Jahr über die Klippe springt. 11 wäre dann das, worüber noch der Streit entbrennt, aber auch das, was fehlt: Sinnbild für die Lücke und Leerstelle des Festivals. Das Abseits. Und schon sind wir wieder beim Fußball.

11 sind nicht nur genug für eine Mannschaft, 11 sind genug für eine Freundschaft. Wir sind die 11 Theaterfreunde, die jeder braucht. Wir sind die, die geschlossen eine Reihe füllen können und doch alle unterschiedlicher Meinung sind, wenn wir nach dem Applaus raus gehen. Wir lassen uns auch gerne mieten – zum Beispiel von Theatern, um einen erst halb ausverkauften Zuschauerraum zu füllen. Wir sind immer einer mehr und einer zu viel, einer mehr als die Kritiker-Jury, eine mehr als die zum Theatertreffen eingeladenen Inszenierungen. Wir gehen nicht auf. Wir sind ein unpassendes, ungrades Plus. Wir sind immer woanders, aber wir sind da. Jeder auf seiner Position. #tt11! Und weil wir immer einer mehr sind, hoffen wir, dass auch ihr immer mehr werdet. Ein in alle Richtungen wucherndes #tt11, bis zum #tt1+n. Lasst von euch hören. Lasst von euch lesen. Lasst es uns wissen. Folgt uns und euch. Wir tun es auch.

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Fadrina Arpagaus, geboren 1980 in Zürich, studierte Germanistik und Philosophie in Zürich und Berlin. Während ihres Studiums hospitierte und assistierte sie am Schauspielhaus Zürich u.a. bei Christoph Marthaler, Christoph Schlingensief und Schorsch Kamerun und in der freien Szene Berlins. Danach begann sie eine Dissertation mit dem Titel „Radikale Gefährdung. Subjektkonstitutionen in Theatertexten des 21. Jahrhunderts“ und arbeitete als Journalistin, unter anderem für "der Freitag" und Kulturkritik.ch. Zurzeit ist sie als Dramaturgieassistentin und ab nächster Spielzeit als Dramaturgin am Theater Basel engagiert, wo sie für das Schauspiel den Blog entworfen hat.

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