Ein Internationaler Frauentag – muss das sein?

Mir wurde als Kind und Jugendliche aus Westdeutschland mit DDR-Verwandtschaft weisgemacht, dass der Internationale Frauentag am 8. März reine kommunistische Propaganda sei. Stattdessen wurde ich ermuntert, meiner Mutter zum Muttertag Geschenke zu basteln. Noch heute wird in den Kindergärten zum Muttertag fleißig an Herzchen für Mama gewerkelt, und auch ich werde Jahr für Jahr im Mai beschenkt – allein dafür, dass ich Mutter bin. Unter den Tisch gekehrt ist längst, dass die Erfolgsgeschichte des Muttertags zwischen 1933 und 1945 begann und bis heute rein gar nichts zur Frage der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft beiträgt.

Mein Bewusstsein für die Frauen-Frage – das muss ich an dieser Stelle gestehen – ist erst sehr spät geweckt worden, obwohl es schon in den Anfängen meiner beruflichen Laufbahn genug Anlässe gab, die mich zum Nachdenken hätten anregen können: Zum Beispiel vor 25 Jahren, als Hansgünther Heyme in die Dramaturgie stürmte und, mich – die Dramaturgieassistentin – ignorierend, brüllte: „Warum ist denn hier keiner?“

Erst in den vergangenen Jahren fiel mir auf, wie wichtig bei Frauen in Leitungspositionen das Aussehen ist („Wie sieht die Laufenberg denn heute aus?“) und dass sich bei einer Schwangerschaft als Berufstätige wie selbstverständlich die Rabenmutterfalle auftut („Warum tust du deinem Kind das an?“). Und mir wurde schließlich klar: Die Jungs sind einfach viel besser vernetzt, besser bezahlt sowieso, lästern schärfer und knapper, um sich dann am Ende – wenig beleidigt – die guten Jobs gegenseitig zuzuschieben. Kinder haben sie selbstverständlich auch, gut zu Hause behütet.

Eleganter wäre, sich gelassen darüber hinwegzusetzen und zu alldem weiter zu schweigen. Langfristig ist es aber sicher effektiver, am 8. März den über 100 Jahre jungen Internationalen Frauentag zu nutzen und einfach laut zu sagen, was alles noch im Argen liegt. Und warum nicht auch: „Frauen aller Länder, vereinigt euch, denn wir sind viele!“?

Mein Veranstaltungstipp: „How did feminism become a dirty word?” (Arbeitstitel). Diskussion im Rahmen des Theatertreffens mit Marlene Streeruwitz, Thea Dorn u.a., 18. Mai um 18 Uhr im Haus der Berliner Festspiele.

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Iris Laufenberg ist seit 2003 Leiterin des Theatertreffens der Berliner Festspiele. Sie studierte von 1986 bis 1991 Angewandte Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Im Anschluss folgten Stationen als Dramaturgin am Schauspiel Bonn (1992 bis 1997) und am Bremer Theater (1997 bis 2001). In den Jahren 1994, 1996 und 2002 leitete sie gemeinsam mit Tankred Dorst und Ursula Ehler das europäische Theaterfestival Bonner Biennale – Neue Stücke aus Europa am Schauspiel Bonn. Diverse Lehrtätigkeiten an der Technischen Universität Berlin, an der Universität Hildesheim und an der Freien Universität. Sie hat zwei Töchter und weitere drei plus einen Sohn gepatchworked. Morgens früh um sieben spielen sie Uno bis sie schielen - beste Voraussetzung, um openminded ins Büro zu gehen.

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