freischwimmen

Florentina Holzinger + Ensemble zum diesjährigen Theatertreffen einzuladen ist nicht nur richtig, sondern vor allem auch verdammt wichtig.

In einem bereits im Vorhinein so polarisierend diskutierten Festival unter den ausgewählten 10 besten Inszenierungen eine zu haben, welche Körper auf die Bühne bringt und in ihrer diversen Schönheit feiert, wie es “Ophelia’s Got Talent” tut, lässt Personen aus meiner Community sich nickend zuprosten. Sie hat es geschafft. Erneut. Und was sie tut, ist vor unseren Augen nicht weniger als Theatergeschichte zu schreiben. Aus der freien Szene kommend, sich nun zum zweiten Mal mit einer ihrer Produktionen in einer dermaßen prestige-trächtigen und alteingesessenen Institution zu etablieren, und damit quasi im „mainstream“ Anerkennung nicht nur für ihre Arbeit, sondern auch politisches Statement zu erlangen, verdient Anerkennung.

Ihre poetische Tiefe neben der fast schon absurden Leichtigkeit, Brutalität wie Zärtlichkeit bilden ein Feuerwerk der Emotionen und zugleich eine pointierte, humorvolle Kritik am phallogozentrischen Narzissmus. Im Publikum wird genickt, gewippt, gelacht, sich die Augen zu-, der Atem angehalten, die Arme nach oben geworfen, sobald nach Freiwilligen gesucht wird und sich im Anschluss spontan ausgezogen, um auf der Bühne auf Tauchgang zu gehen. 

Ihr Erfolg gründet nicht auf einem plötzlichen Hype, sondern darauf, dass sie in ihren – in diesem Falle tatsächlich – bemerkenswerten Produktionen mit ihrem herausragenden Ensemble ein Fest queer-feministischen Freischwimmens performiert; auf der Bühne zelebriert, wie weibliche Freiheit und Empowerment aussehen können. 

Nicht nur, weil wir nackte Frauen sehen, die uns in einer Talentshow an den verschiedensten Formen von Performance – vom Apnoe-Houdini bis zur Schwertschluckerin – teilhaben lassen. Indem diese somit als performative Kunstformen per se aufgewertet werden, zeichnet sich hier bereits hier eine erste, kluge Geste des ironischen Enthebens aus einem festen Kanon ab. Auch mit ihrer zweiten Einladung zum Theatertreffen haben Holzinger & Co. ganz sicher nicht vor, sich “dem” oder irgendeinem Kanon anzuschließen. Wozu auch? Sie erfinden, sie konstituieren gar ihren eigenen und geben Begriffen der „abendländischen“ Philosophietradition spontan völlig neue Bedeutungen. 

Talentiert und gelungen ist diese Produktion auch, weil und wie wir als Zuschauende spielerisch mit notwendigen Fragen konfrontiert werden, welche alte wie zeitgenössische Probleme adressieren: Wie hängen die patriarchale, kapitalistische Ausbeutung weiblich gelesener Körper mit der unserer Ressourcen zusammen? Wie gehen wir mit unseren Ressourcen, mit unseren Geschichten um? Wie sieht verantwortungsvolle, nachhaltige Care aus? Und vor allem: wie wollen wir in Zukunft zusammenleben? 

Ophelia’s Got Talent dekonstruiert die heteronormative Phallokratie nicht nur, sie kehrt sie in einer Lässigkeit um, die im selben Atemzug einen Ausblick auf mögliche Alternativen erahnen lässt. Wenn sich die Performerinnennixen in den Spiegeln betrachten, die ihnen die Kinder entgegenstrecken, wird auch den Publika der Spiegel vorgehalten: „Could it be that we love ourselves more than we love nature?“ hallt sanft Holzingers Stimme durch die in eine gigantische Schwimmhalle verwandelte Volksbühne. Zeit, das ozeanische Gefühl nochmal zu überdenken.

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