Auch das Publikum braucht einen Zugang

Migration sei eine Entscheidung, sagt Houman Memarpanahi, Gründer der RoBeRoo Mansion, einem unabhängigen Produktionsort in Teheran beim Gespräch „Artistic Work in Exile“ am 13. Mai, das Teil des Solidarity Treffens ist. „Exile means being pushed into a certain decision“ – „Exil bedeutet, zu einer bestimmten Entscheidung gedrängt zu werden”, ergänzt er. Mit ihm auf der Bühne des roten Salons der Volksbühne sitzen Performer*in Sorour Darabi und Dramaturgin Negar Foroughanfar. Künstler*in Ozi Ozar moderiert und teilt aus – auch gegen die Struktur und Organisation des Theatertreffens. Statt das Thema Solidarität und die Herausforderungen, mit denen Künster*innen im Exil konfrontiert sind, in den Mittelpunkt zu rücken, geht es unter anderem um die Frage, ob die diesjährigen Kurator*innen des Theatertreffens der Aufgabe, das Festival diverser und zugänglicher zu gestalten, gerecht werden. 

Nicht jede*n abgeholt

Zuschauer*innen, die nicht die Details der Situation im Iran kennen, werden von der Moderation nicht abgeholt, sondern mit eingestreuten Informationen konfrontiert: mal geht es um die iranische Diaspora, mal um Rassismus, Demos und Hanau, mal ums Hijab-Law. Die Fragen, die sich hier stellen: Hat die Veranstaltung lediglich den Anspruch, diejenigen zu empowern, die betroffen sind? Oder möchte sie auch die Unwissenden über die Lebensrealitäten von Künstler*innen im Exil informieren?

Wer gehört werden möchte, sich Zugang und Aufmerksamkeit wünscht, sollte jedoch auch Verbindungen schaffen, Transfer leisten und Kontextualisierung ermöglichen. Denn nur durch Verständnis entsteht Empathie, die das Potential hat, Solidarität zu evozieren. 

Obwohl drei besondere Menschen auf der Bühne sitzen, verliert sich die Podiumsdiskussion immer wieder in Details und Anekdoten, die nur diejenigen verstehen, die den Diskurs kennen. Anderen Zuschauer*innen wird der Zugang verwehrt. 

„Ich möchte, dass mich meine Familie besucht, vermisse sie, doch sie bekommt kein Visum für Deutschland“, antwortet Negar Foroughanfar auf die Frage, was Künster*innen im Exil brauchen. Der Grund sei, dass die Sorge bestehe, ihre Familie würde hierbleiben. „Völlig absurd, wieso sollte man hierbleiben wollen?“, entgegnet sie auf diese Behauptung der deutschen Behörden. Ihre Stimme übermittelt den Frust, das Menschliche, das, was die Diskussion eigentlich auch wollte: die Personen auf der Bühne nicht nur als Exilant*innen zu zeigen, sondern als Menschen, die vor besonderen Herausforderungen stehen. 

–––

Klaudia Lagozinski

Klaudia Lagozinski, Jahrgang 1994, spricht an den meisten Tagen drei Sprachen, liebt das Reisen und mag das Schreiben. Sie arbeitet als Nachrichtenchefin für taz.de und als freie Kulturjournalistin. Vor wenigen Jahren rutschte sie in ein Dasein als Digital Nomad ab und fühlt sich seitdem in dieser Rolle ziemlich wohl. Zuhause ist für sie kein Ort, sondern ein Gefühl Sie studierte Sozial- und Kulturanthropologie, Theater und Kulturjournalismus in Berlin und ging während dieser Zeit häufig ins Theater. Außerdem studierte sie in Uppsala, Schweden, und verbrachte dort viel Zeit in Wäldern und am Lagerfeuer.
---
Klaudia Lagozinski, born in 1994, speaks three languages most days, loves to travel and enjoys writing. She works at the news desk for taz.de and as a freelance culture journalist. A few years ago, she slipped into an existence as a digital nomad and has felt quite comfortable in this role ever since. For her, home is not a place, but a feeling. She studied social and Cultural Anthropology, Theatre and Cultural Journalism in Berlin and was a frequent theatregoer. She also studied in Uppsala, Sweden, and spent a lot of time there in forests and around campfires.

Alle Artikel