Guttenbergs Beteiligte

Die Kritikenrundschau im copy&paste-Verfahren. Heute hat Stefan Bachmanns Inszenierung von Kathrin Rögglas Text „Die Beteiligten“ beim Theatertreffen Premiere.

Es ist nicht leicht, Kathrin Röggla zu sein. Denn: Ein Ich ist für sie in Wahrheit ein Wir. Was auf den ersten Blick wie Schizophrenie aussieht, ist in Wahrheit bloß eine radikale sprachliche Klausel: Subjekt und Objekt sind vertauscht – alles wird im Konjunktiv gesprochen. Was die abstrakte Denkerin mit diesem grammatikalischen Kniff zeigen will, ist die Einverleibung des Opfer-Ichs in die Aussagesätze der „Beteiligten“. Obwohl sich Röggla damit eines heiklen Themas angenommen hat, und zwar ex negativo, sucht sie den Groove im Loslabern, überhöht das Durchschnittliche, rhythmisiert seine KakofonieSie trifft den Ton genau. Aber warum? Wozu das Konjunktivfeuerwerk, wozu das Monologs-Stakkato? Na? Nun, Röggla bezieht sich offenbar auf den Fall Natascha K., ohne dieses Opfer direkt zu nennen. In Stefan Bachmanns Inszenierung, mit deren unheimlicher Perversion man einst wohl kleine Mädchen erschrecken konnte, fragt man sich allerdings öfter: Gehört das nicht eher zum Fall F. aus Amstetten? Für Bachmann scheint K. und F. dasselbe zu sein: sein Versuch, die Konjunktiv-Monotonie der Möchtegern-Menschen mit reichlich Referenzen und Regieeinfällen zu garnieren, legt schließlich Größeres frei: die österreichische Nationalwunde. Salz auf die österreichische Nationalwunde streut auch Slavoj Žižek im Programmheft, und zwar mit einem pseudowissenschaftlichen Welt- und Mensch-Erklärungsversuch, einem Alles-in-einen-Topf-Wurf-Text. Doch nicht nur Žižeks Welt- und Mensch-Erklärungsversuch scheint zu versagen: Als Kalenderblattweisheit nützt Debord auch nix mehr. Wo die Philosophen scheitern, kann nur einer helfen: Falco, der in Wien zur Rechten des Kaisers sitzt. Die Playback-Performance zu Falcos Entführungs-Song „Jeanny“, ein dem Kinderschänder-Verdacht ausgesetzter Song ist aufgesetzt, aber wirksam. Aufgesetzt, aber wirksam ist schließlich auch Simon Kirschs Auftritt in SS-Uniform, um sogleich darauf als böses Engerl von Wien in den Schnürboden hinaufgezogen zu werdenVergnügt steppt der Nazi zum Westernhagen-Soundtrack: Der Mensch ist leider nicht naiv, der Mensch ist primitiv. Dafür gabs heftigen Beifall. Aufgesetzt, aber wirksam.

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Leopold Lippert, geboren 1985 in Mistelbach (Österreich), studierte Anglistik und Amerikanistik in Wien und Washington, DC. Nach einigen Unijobs arbeitet er momentan an seiner Dissertation zu Amerikanisierung und Performance. Er lebt in Wien, schreibt über Theater in wissenschaftlichen Zeitschriften, beim Online-Magazin fm5.at und auf seinem Blog.

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