Wir sind alle ein bisschen Guttenberg, aber etwas ehrlicher. Denn in unseren Copy & Paste-Vorkritiken zu jeder tt Inszenierung liefern wir die Quellenangaben gleich mit. Heute Abend hat Premiere: „Das Werk / Im Bus / Ein Sturz“ von Elfriede Jelinek in der Regie von Karin Beier.
Köln ist eine Stadt mit abgrundtiefem Trauma. Doch wenn sich eine diesen Abgründen gewachsen zeigt, dann Karin Beier. Für ihr großes Jelinek-Tryptichon fährt sie ein Arsenal der Theaterformen auf, so dass die krachende Bauamt-Satire mal Oratorium, mal Revue, mal Kolloquium mit Tiraden, mal zierlicher Monolog ist. Ein Kölner Schwulenchor halbseidener Herkunft, der wohl auch Einar Schleef beeindruckt hätte, untermalt die grandiose Szenerie der Werktätigen, der Heidis und Geißenpeters, der Ingenieure und Fortschrittsgläubigen, angeführt von einem direkt aus dem Hades entstiegenen karnevalesken Transen-Trio. Sinnlich, derb, witzig und leicht entspinnt Beier ihre sadomasochistische Phantasmagorie, die in einer der schärfsten Sexszenen, die im Theater bisher zu sehen war, gipfelt. Und während dieses bösen Katastrophenklamauks darf sogar gelacht werden, denn das Unglück ist auch ein fauler Witz. Nach der Seelen-Reinigung mit Dreckwasser bleibt aber doch noch ein Strom von Fragen, allen voran die eine: „Wer hat die Macht, und wer sind unsere neuen Götter?“