Höchst idiosynkratisch und selektiv in der Beobachtung: Heute ab 18 Uhr gibt es hier einen Live-Blog vom Publikumsgespräch zu „Der Biberpelz“. Mit Moderator Tobi Müller diskutieren Regisseur Herbert Fritsch und das Ensemble. Zu erwarten ist eine weitere Ausgabe der beliebten „Herbert Fritsch-Show“. Schon vorab feststehende Schlagwörter: Spiel, Lust, und Spaß. Zur Vorbereitung empfehlen wir die umfangreiche Berichterstattung des tt-Blogs.
17.52: Die ersten Zuschauer nehmen im oberen Foyer Platz. Einige pfeifen den „Hamborger Veermaster„, mit dem Fritschs Inszenierung endet (oder auch: nicht enden will). Der Ohrwurm ist schwer wieder loszuwerden.
18.02: Bei der Premiere vergangenen Sonntag hat „Der Biberpelz“ für einen perfekt inszenierten Eklat gesorgt. Beim Schlussapplaus stänkerte Claus Peymann gegen Regisseur Herbert Fritsch und schaffte es damit in die Schlagzeilen. „Peymann schreit mit rotem Kopf“ titelt etwa die Welt. Hier schreit noch niemand. Bloß gespanntes Warten vor noch leeren Stühlen.
18.04: Blog-Kollegin Katrin bekommt eine Ehrenaufgabe. Sie muss aufpassen, dass sich niemand aus dem Publikum am Getränketisch bedient. Wein, Bier und Säfte sind fürs Ensemble reserviert.
18.07: Langsam wird es übervoll. Der frühe Termin unmittelbar vor der Nora-Premiere zieht mehr Leute an, als Plätze da sind.
18.08: Joachim Sartorius begrüßt die Gäste und bedankt sich beim Ensemble für den schönen „Biberkopf“. Er vermisst außerdem Claus Peymann.
18.11: Moderator Tobi Müller stellt das Ensemble vor – mit einigen Namensproblemen. Mit dabei außerdem: Jury-Mitglied Vasco Boenisch und Dramaturg Ralph Reichel.
18.14: Herbert Fritsch wettert gegen Naturalismus und Authentisch-Sein. Er will „expressiv, fast expressionistisch“ sein. Er spricht von LUST und SPIEL, und dass er der Knallcharge aus der Provinz sei. Er macht sich über das „Wilhelminische“ lustig und über die „guten armen Leute“. SOOO ARM seien die armen Leute nämlich. Gelächter.
18.16: Herbert Fritsch spielt Textzeilen nach. Er strudelt und spuckt. „Aus dem Nichts den Horror produzieren, das ist doch Theater“.
18.17: Tobi Müller ist bemüht ernsthaft und fragt nach der Wirkungsgeschichte des Stücks. „Wollen Sie Hauptmann Gerechtigkeit widerfahren lassen, Herbert Fritsch?“
18.18: Fritsch: „Ich kannte den Mann nicht.“
18.23: Brigitte Peters trägt Hochtrabendes zur Genderthematik bei. „Eine Frau bewegt sich halt einfach anders als ein Mann.“ Es geht um das extreme Schauspiel, das anarchisch wirkt, aber doch genau durchgeplant ist.
18.24: Von unten dringt Klaviermusik herauf. Ist das schon die Vorbereitung von „Nora“?
18.26: Vasco Boenisch zur Jury-Entscheidung. „Humor ist Geschmackssache.“ Er findet, dass die Rezeptionsgeschichte von „Der Biberpelz“ in Fritschs Inszenierung um 180 Grad gedreht wurde.
18.28: Tobi Müller erklärt Vernetzung im Theaterbusiness. „Vasco Boenisch und ich, wir sind ja Facebookfreunde, sonst kennen wir uns eigentlich gar nicht so gut.“
18.31: Die erste Frage aus dem Publikum. Eher ein Statement. „Mir persönlich hat’s richtig gut gefallen.“ Aber: „Ich hab die Geschichte nicht verstanden. Ich hab halt mitbekommen, dass in der Familie was nicht stimmt.“
18.33: Dramaturg Ralph Reichel schlägt vor, die Geschichte wie ein Comic zu verstehen. Mit ganz einfachen Bildern.
18.34: Herbert Fritschs Tipp: „Einfach drei- oder viermal reingehen. Dann versteht man es schon. Ab und zu kann man schon Gesprächsfetzen mitkriegen.“
18.36: Fritsch dreht auf. „Ich hab’s satt, wenn Leute im Theater was lernen wollen.“ Er wird esoterisch und spricht von Energieschleudern und Strahlenkanonen. Seine Theaterstücke seien fürs Rückenmark, kleine Beben, die auf den Körper übertragen werden. Fritsch bebt auch, fast schwappen die Wassergläser über. Lacher, aber auch verstörte Blicke im Publikum.
18.38: Ein Publikumskommentar: „Sehr viel gutes Gewürz ohne Fleisch drunter.“ Diesem schönen Bild schließe ich mich doch an.
18.40: Fritsch spricht über die Musikalität von Dialekt. Er wird salbungsvoll. „Das gefällt mir.“ Von der Musik geht’s weiter zur Form. Man baut Versatzstücke unterschiedlich zusammen. Fritsch zeigt es vor und grunzt fröhlich. „Mehr schaff ich geistig gar nicht.“
18.42: Tobi Müller fragt Schauspieler Johann Zürner nach seinem Dialekt im Stück. „Bajuwarisch oder Austriakisch?“ – „Bajuwarisch!“
18.44: Unser Fotograf Yehuda Swed hat inzwischen schon ein Foto vom Publikumsgespräch gemacht.
18.46: Eine amerikanische Zuschauerin fand die Schlusspolonaise hervorragend. „Das passiert in Deutschland ja so selten.“ Schauspieler Jakob Kraze erzählt, sie verfolgen die Leute mittlerweile sogar auf die Toiletten.
18.48: Herbert Fritsch über Peymanns Ausbruch nach der Premiere. „Wir haben das wochenlang geprobt. Wir haben sprachlich mit ihm gearbeitet, er konnte nicht viel falsch machen. Und in dem Fall haben wir sogar eine Geschichte erzählt.“ Großes Gelächter. Tobi Müller entlässt das Publikum in den Abend. „Die Herbert Fritsch-Festspiele gehen weiter.“