Unmittelbarkeit

Eigentlich ist es ja ausgemachter Blödsinn, über Theater bloggen zu wollen. Denn Theater lebt vom Moment, vom Livecharakter, von seiner Flüchtigkeit und ewigen Unfertigkeit. Texte, Bilder und Videos hingegen sind irgendwann fertig. Irgendwann kommt der Punkt, wo man auf Veröffentlichen klickt, wo das Ganze online geht, fixiert und (hoffentlich) ewig abrufbar. Dann wird aus dem Moment seine bloße Dokumentation. Dokumentation, und sei sie auch noch so multimedial, wird Theater nie ersetzen können. Man kann weder den Schweiß beschreiben, noch die Spucke, die regelmäßig über die ersten Reihen segelt. Man kann den Geruch nicht abfotografieren, den von rotem Staatstheaterplüsch nicht, und den von improvisierten Bierkistensitzgelegenheiten schon gar nicht. Man kann sich vor dem Geschrei nur fürchten, das Lachen nur ansteckend finden und vielleicht sogar ein wenig mitheulen, wenn da wieder mal ein Schauspieler zitternd auseinanderfällt. Man kann das alles nur stümperhaft fixieren. Man wird fast immer scheitern.

Und trotzdem will ich es versuchen. Weil ich nicht will, dass all die zauberhaften Momente verloren gehen. Weil das offizielle Feuilleton bloß große Theatergeschichte schreibt, die kleinen Theatergeschichten aber meist vergisst. Weil ich Theater auf möglichst vielen Kanälen erfahrbar machen will, um unterschiedliche Menschen anzusprechen und Gespräche zu ermöglichen. Und weil mir die Unmittelbarkeit des Theaters auch die Chance eröffnet, ganz unmittelbar zu bloggen: immer so, wie es der Moment eben will.

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Leopold Lippert, geboren 1985 in Mistelbach (Österreich), studierte Anglistik und Amerikanistik in Wien und Washington, DC. Nach einigen Unijobs arbeitet er momentan an seiner Dissertation zu Amerikanisierung und Performance. Er lebt in Wien, schreibt über Theater in wissenschaftlichen Zeitschriften, beim Online-Magazin fm5.at und auf seinem Blog.

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