Der Theaterzauberer und nebenberufliche Melancholiker Thom Luz versprüht auch in „Traurige Zauberer“ wieder viel Kunstnebel. Was will er dahinter verstecken?
Toastbrote sind auf einem Tisch in Zweierpaaren gegeneinander gestellt wie Spielkarten, die zu einem Kartenhaus werden sollen. Das Publikum sitzt auf der Bühne und schaut auf ein gespiegeltes, aber leeres Gegenüber: den Zuschauerraum der Festspiele. „Eine stumme Komödie mit Musik“, heißt es im Untertitel der Inszenierung „Traurige Zauberer“ von Thom Luz vom Staatstheater Mainz – Sprache und ein wenig Narration gibt es aber dennoch. Zum Beispiel ein Schiffsunglück, bei dem alle Menschen sterben, verschiedene Biographien von Zauberern (Zauberinnen gab es selten, heißt es) wie vom „großen Nicola“, Erfinder der zersägten Jungfrau-Illusion.
Geisterhafter Nebel, abwesende Tricks
Ganz zu Anfang hebt der Schauspieler Leonhard Dering, vor seinem Instrument, sitzend die Hände in die Höhe und zeigt deren Vorder- und Rückseite. Alles ohne Tricks – es kann also losgehen. Zauberer sind Illusionskünstler, die Naturgesetze scheinbar auf den Kopf stellen. Grundsätzlich gäbe es jedoch nur sieben Möglichkeiten, Tricks durchzuführen. Die Schauspieler – vorwiegend in schwarz-weiß gekleidet – zählen einige Tricks (wie Münzvermehrung, Champagnerflaschentrick) auf, zeigen an diesem Abend aber keinen einzigen. Die Nebelmaschine bläst Nebelringe auf Antonia Labs, trifft einer auf ihren Körper und verpufft, wird das mit einem kurzen Klavierspiel kommentiert. Der Raum wird beständig bespielt, wirkt aber trotzdem unendlich groß, fast schon verschwendet. Lachen und „Ooooh’s“ gibt es dazu vom Band: ein Geisterpublikum.
Die Klaviere setzen an und ab, rundherum: der Tod
Vier Klaviere in Betrieb und aus dem leeren Publikumsraum werden klickende Magnetbänder abgespielt. Die Schauspieler singen „J’attendrai“ (Dino Olivieri): Ich werde warten, Tag und Nacht, immer warten auf deine Rückkehr. Bei Zaubertricks soll nach dem Verschwinden die Wiederkehr folgen. Aber was passiert, wenn diese nicht kommt? Die Musik (Klaviere, Pianos in verschiedenen Modi, Trommel, Gesang) beginnt und wird wieder unterbrochen, beispielsweise wenn die zwei Klavierspieler den Platz wechseln und dafür von einem zum anderen Ende der Bühne wechseln. Die Inszenierung will eine „suggestive Hintergrundmusik“ sein – diese soll auch schon von Magiern zur Stärkung ihrer Kräfte genutzt worden sein. Das ist stellenweise sehr bezaubernd, aber auch ermüdend, da die Melancholie im Timbre niederdrückt. Der Umgang mit Zauber und Magie existiert heute nach wie vor, doch hatte er seine Hochkultur in vergangenen Zeiten. Und so holt die Inszenierung atmosphärisch das in den Raum, was „hinter der Zukunft stattfindet“: den Tod.
Eine Tour durch den Verwandlungsschrank
Eine Sirene erklingt, und eine junge Frau (Ulrike Beerbaum) betritt verkündend und mit hoch erhobenem Arm die große Bühne. Von links schlägt sie einen großen Bogen auf der weiten, weiten Bühne und läuft mit starkem Schritt rechts wieder ab. Per Mikro informiert sie über den Theaterbau: Ein neues Haus wurde auf den Mauern des alten aufgebaut. Das könnte sowohl das Theater der Berliner Festspiele, das Theater im Allgemeinen oder das einer unbekannten Zukunft („2030 wurde das Theater an das Internet angeschlossen“) betreffen. Diese geführte Tour wiederholt die Magier-Reiseführerin einige Male und wird dann in einen rollenden Garderobenschrank eingesperrt. „Entschuldigung?“ – es dauert ein wenig, bis sie von Graham F. Valentine befreit wird (als „Mr. Riley“, der ungeduldig auf seinen großen Auftritt wartet). Danach spielt sie eine neue Figur, die gar nicht weiß, wohin. Es ist wie nach einem Traum, an den ein weiterer anschließt.
„Das habe ich nicht verstanden, aber die Musik war schön“, meint Antonia Labs, als die Schauspieler dem Publikum gegenüber sitzen und Publikum spielen. Ein Abend, der trotz Musik sehr ruhig war und sich nach einer Hintergrundmusik aus vergangenen Zeiten sehnt. Viele Zuschauer scheinen in eine melancholische Stimmung verfallen zu sein, während der Aufführung waren allerlei Seufzer zu hören. Straffungen hätten das verhindern können, aber Verpuffen im Nirgendwo braucht einfach seine Zeit – nicht unbedingt jedoch Raum.
Traurige Zauberer
Regie und Text: Thom Luz, Bühne und Kostüme: Lisa Maline Busse, Musik: Mathias Weibel, Licht: Justus Matla, Dramaturgie: Malin Nagel.
Mit: Ulrike Beerbaum, Antonia Labs, Leonhard Dering, Vincent Doddema, Denis Larisch, Graham F. Valentine.
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause