Unsere Bloggerin Cennet Alkan findet klare Worte, um die Missstände an gegenwärtigen Strukturen anprangern, gibt aber dennoch Raum für Zartheit, Unsicherheit und Verletzlichkeit.
Wer oder was definiert das Theater? Wie viele unendliche Möglichkeiten haben wir als Gesellschaft uns neu zu erfinden, einfach, weil es Zeit wird? Macht. Machtpositionen. Privileg. Am Ende kochen wir doch alle nur mit heißem Wasser. Liebe Theatermenschen, habt keine Angst vor der eigenen Unsicherheit. Angst hat keinen Platz in der Kunst und Kultur. Sie lähmt uns, weil diese Form der Angst nicht natürlich ist. Darüber müssen wir offen und ehrlich sprechen – zum Beispiel hier beim Theatertreffen. Wir können ohne einander in der Kunst nicht existieren.
Warum arbeiten manche Intendant*innen und Regisseur*innen noch immer mit angstfördernden Methoden? Wieso geben wir nicht offen und ehrlich zu, dass auch das Theater darunter leidet, eine „staatlich geförderte Kulturinstitution“ zu sein, die hauptsächlich auf die Wirtschaftlichkeit des Hauses setzt, anstatt der Kunstfreiheit? Was ist mit den Menschen, die das nicht können oder wollen, die aber dennoch eine Berechtigung auf der Bühne verdienen? Was kann ich tun, wenn ich einen Inhalt in der Produktion kritisch hinterfrage und das auch äußere und ich als Akteurin auf der Bühne dafür belächelt werde? Ich bin dann Political Correct oder jage dem „Diversity Trend“ hinterher. Nein ich benutze meine Intuition, mein Herz und Gehirn. Das ist mein Motor als Schauspielerin.
Theater soll Spaß machen, romantisch sein, düster oder auch sinnbefreit. Wir sind motiviert, streiten uns, lachen und widmen uns mit unserem ganzen Herzen der Kunst. Dafür bin ich auf der Bühne. Ich habe eine Idee oder eine Geschichte, die ich erzählen möchte. Ich befinde mich in einem schöpferischen Labor, wie Julia Wissert, Intendantin in Dortmund, die die Worte wie Diversität, Migration und Labor nicht nur als Schlagwort verstehen möchte, sondern als Programm. Wir injizieren den besten Impfstoff gegen das Chaos. Kunst und Kultur hält unsere Gesellschaft bei Laune und zusammen.
Ich kann meinen Körper auf der Bühne in jede Position versetzen und spielen, singen oder witzig sein. Aber meinen Geist kann ich nicht kontrollieren oder spalten lassen. Ich begebe mich nicht in unreflektierte Hände. Für wen mache ich Theater? Sollte ich das in erster Linie nicht für mich tun? Jede*r Schauspieler*in sollte eine Meinung zu sich haben, auch wenn das bedeutet erst einmal unsicher mit sich selbst zu sein. Das ist aber noch lange keine Legitimation für Theaterverantwortliche, sich auf diese jungen Menschen zu stürzen und sie auszuweiden, bis ins Innerste ihrer Sehnsüchte. Wir sind sehr sensible und kreative Geschöpfe mit einem eigenen Willen. Kunstschaffende haben, egal in welcher Position, das Recht sich selbst zu vertreten und sollten keine Angst haben mit ihren Haltungen ihre Existenz oder ihren Ruf zu verlieren. Mit meinem Ausdruck möchte ich viele Menschen dazu bewegen zu träumen, für sich einzustehen, ihren Herzen zu folgen, mit Liebe und Gerechtigkeit durchs Leben zu gehen, wie Sailor Moon. Ich wünsche mir mehr Rückgrat im gegenwärtigen Theater und r.e.s.p.e.c.t. Das „traditionelle“ Theater muss sich dabei nicht gleich auflösen für die Weiterentwicklung. Mein Vater sagte mir mal: „Du hast immer gemacht, was du wolltest.“ Das war vielleicht nicht immer vorteilhaft, aber zumindest hat er mich nicht in meinem Wesen verändern wollen.