Herbert Fritschs „Ohne Titel" – ein Abend über das Foyer?

„Ohne Titel Nr.1 / Eine Oper von Herbert Fritsch“
Regie: Herbert Fritsch
Premiere: 22. Januar 2014, Friedrichstadt-Palast Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
Handlung: Witzigkeit kennt keine Grenzen!
Anzahl der platten Witzchen: viele
Rekordverdächtig: Regisseur trägt Brett am Kopf zum Schlussapplaus
Ich habe mich sehr gefreut auf diesen Abend, denn von Herbert Fritschs Inszenierung „Murmel Murmel“ hab ich nur Gutes, ja Sensationelles gehört – doch als Münchner habe ich es nie geschafft, dieses Berliner Spektakel zu sehen. Dafür aber war ich von seiner Arbeit „Revisor“ am Reseidenztheater München völlig begeistert, und auch sonst mag ich diesen verrückten Kopf.
Aber diese, nun vorletzte Inszenierung beim Theatertreffens 2014, ist mir schlichtweg egal.
Man hat mir beigebracht, dass in diesem Abschnitt eines Artikels eine Beschreibung dessen folgen sollte, was auf der Bühne zu sehen war.
Da ich aber ein faules Internetkind bin und keine Karriere als Feuilletonist anstrebe, füge ich einfach zwei Fotos ein und damit haben Sie dann auch schon alles gesehen, was Sie für den restlichen Verlauf wissen müssen.

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Ohne Titel. Foto: Thomas Aurin


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Ohne Titel. Foto: Thomas Aurin


Damen und Herren in schillernden, bonbonfarbenen Revue-Outfits mit Plastikfrisuren und ein überdimensoniertes Holzsofa. Was einem die Bilder nicht verraten: die Figuren haben keine verständliche Sprache. Kommuniziert wird in Fantasieworten oder -gesang.
Vor der Bühne im Orchestergraben sitzen drei Musiker samt Instrumentensammelsurium, um den Abend musikalisch zu begleiten oder das Geschehen auf der Bühne mit Geräuschen zu vertonen.
Man kann sich sehr gut vorstellen, wie das Publikum zu Hause seinen Bekannten davon erzählen wird, wie „witzig“ und „raffiniert“ der ganze Abend doch gewesen war. Und vielleicht könnte es der Abend auch sein. Für mich jedoch wirkte er wie die Aneinanderreihung von einzelnen Slapsticknummern.
Die Schauspieler werden mal zu Aufziehfiguren, mal robben, singen oder tanzen sie virtuos übers Holzparkett, spielen Darmprobleme, die vom Orchester untermalt werden. Mal bringt der eine seine Pantomime-Solonummer, mal darf die andere Zungengymnastik im Spot vorführen.
Irgendwie Altherrenhumor, aber handwerklich gut gemacht. Fritsch kann das. Man sieht ihn förmlich vor sich, wie er den Schauspielern in den Proben alles leidenschaftlich vorspielt. Dennoch fehlt dem Abend ein Bogen. Ich weiß nicht, wo er anfing und wo er hinwollte und was sich wohl die Zahnarzttochter im goldenen Oberteil hinter mir gedacht hat, die zu Beginn noch stolz den Kronleuchter fotografierte und sich auf den Opernabend freute?
Zumindest wird es gegen Ende noch einmal etwas ernster. Dann drehen alle Figuren ihre bunten Revuekleider auf links, aufs holzgemusterte Innenfutter, und werden dadurch eins mit dem hölzernen Bühnenbild. Traurig sitzen sie da, diese Holzpüppchen. Sie haben ihren Glanz verloren und sehen nun alle gleich aus. Am Ende dürfen sie aber – Gott sei Dank –  zum musikalisch unterlegten Schlussapplaus noch einmal so richtig aufdrehen.
Amüsant mag das jemand finden, der selbst eine „freche“ Frisur trägt und sich als „keck“ bezeichnet. Ich hingegen habe selten so oft auf die Uhr geguckt wie an diesem – eigentlich kurzen – Abend. Draußen treffe ich meine Kollegen und blicke in die gleichen, enttäuschten Gesichter.
Uns allen ist das Prädikat „bemerkenswert“ mal wieder nicht ganz verständlich.
„Mir fehlt heute sogar die Muße für einen Verriss“, meint einer der beiden. Und deshalb übernehme ich, und bin froh nun einen Grund mehr zu haben, nicht noch einen weiteren Abend auf einer Theaterparty mit Weißwein und Schnittchen verbringen zu müssen. Irgendwann hat man das nämlich auch ziemlich über. Man kann sie nach nach zwei Wochen einfach nicht mehr sehen, diese immer gleichen Gesichter, diese Damen und Herren mit ihren bonbonfarbenen Kleidchen im Foyer, wie sie in Fritscher Manier stolz ihre Hochsteckfrisuren tragen und sich auf hölzernen Sitzgelegenheiten in einem unverständlichen Kauderwelsch austauschen. Wie sie alle an die Rampe laufen, stolpern und in glitzernden Anzügen und schrillen, lauten Tönen um die meiste Aufmerksamkeit buhlen. Sie schreien, winken mit den Armen, wollen „hier bin ich“ rufen. Doch es fehlt ihnen die Sprache, und das Orchester spielt sowieso schamlos über sie hinweg. Wie sie fallen, wieder aufstehen, mal den einen, mal die andere auslachen und unbeholfen miteinander kommunizieren. Ja, man hat ihn über, diesen engen Theaterkosmos, der nur um sich selber kreist und tanzt und innen bereits morsch und hölzern ist.
Huch?!
Foto:  Thomas Aurin
Die Berliner Zeitung ist Partner des Theatertreffen-Blogs.

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Manuel Braun

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