90 Minuten dauert Peter Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“, das heute Abend im Haus der Berliner Festspiele zu sehen war. Parallel dazu gab es 90 Minuten Fußball. Im Olympiastadion Berlin, natürlich. Aber auch in der Theaterkantine im Keller der Festspiele. Eine kleine Schar fußballbegeisterter Theaterleute tauschte nach acht Tagen Hochkultur die Bühne gegen den Rasen und verfolgte ein akustisch ganz außergewöhnliches DFB-Pokalfinale Bayern gegen Bremen live vor dem Fernseher: Die Stimme des Fußballkommentators und der Fangesang aus dem Stadion mischten sich mit Flugzeuggeräuschen, Motorradlärm, Techno-Beats und Operngesang, die live von der Theaterbühne per Lautsprecher in der Kantine zu hören waren. Während Franck Ribéry sich gleich an zwei Werder-Spielern vorbeidribbelt, bekommt er den passenden dramatischen Soundtrack von der Bühne. Wann haben sich Theater und Fußball je so gut verschränkt? Ribéry wird von Torsten Frings per Foul gestoppt und sieht Gelb. 20 Minuten später, die Bayern führen nun schon 3:0, wird Frings mit Gelb-Rot vom Platz verwiesen. Wäre Frings ein Schauspieler, dürfte er seiner Wut und seiner Enttäuschung richtig Platz machen. In seiner Regieanweisung würde stehen: „Schreien!“, „Gegen die Bühnenwand springen!“ Auf dem Rasen reicht es nur für „Meckern gegen den Schiri“. Dann muss er von der Bühne ab, äh, vom Rasen.
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