Kaum eine Debatte wurde über die Jahre beim Theatertreffen so erbittert geführt wie die um das so genannte „Blackfacing“. Doch die Zeichen stehen auf Veränderung. Unsere Autorin erzählt die lange Geschichte einer Sensibilisierung.
Blind war der Fleck, auf den der deutschsprachige Theaterbetrieb vor sechs Jahren mit Vehemenz gestoßen wurde. Und umfangreich die zugrunde liegende Frage: Wie haltet Ihr’s mit dem Rassismus? Aus einigen einzelnen Vorfällen erwuchs 2012 die Blackfacing-Debatte. Und wie der Theaterwissenschaftler Ulf Schmidt an ihrem Beginn treffend prophezeite, „kann, wird und muss [diese Debatte] das traditionelle Rollentheater (oder rollenbasiertes Stadttheater) in eine Selbstreflexion führen, die dazu angetan ist, es von Grund auf zu verändern“.
Was war geschehen? Am Berliner Schlosspark Theater sollte Ende 2011 „Ich bin nicht Rappaport“ von Herb Gardner gespielt werden – und auf dem Plakat zur Inszenierung grinste neben dem Hauptdarsteller und Künstlerischen Leiter Dieter Hallervorden der Schauspieler Joachim Bliese mit schwarz angemaltem Gesicht. Blackfacing! Für das Schlosspark Theater kein Problem: es gebe einfach nicht genug schwarze Schauspieler, um die Rolle stückadäquat zu besetzen, antwortete das Theater auf den Einspruch von Aktivist*innen gegen die rassistische Stereotypisierung. Mit der Bemerkung, das Rollenrepertoire für schwarze Schauspieler*innen sei zu schmal und rechtfertige keine Festanstellung, legte das Schlosspark Theater nebenbei das strukturelle Problem hinter Praktiken wie dem Blackfacing offen: Diskriminierung. Warum sollten schwarze Schauspieler*innen nur Schwarze spielen – und nicht Romeo, Gretchen, Polly Peachum oder Leonce?, fragten Theaterschaffende wie Lara-Sophie Milagro zurück und stellten klar: „Eine solche systematische Benachteiligung aufgrund vermeintlich ‚rassischer’ Merkmale nennt man Rassismus.“
Abwehrreaktionen einer weißen (Theater-)Mehrheitsgesellschaft
Rassismus!? Das saß. Kritik, die nicht neu war, wurde unüberhörbar – dank der guten Vernetzung der Aktivist*innen, und weil zeitgleich die Mordserie des NSU den strukturellen Rassismus in Deutschland unleugbar machte. Blackfacing war, auch das wurde schnell klar, nicht ein Überbleibsel politisch unkorrekter karnevalistischer Gepflogenheiten an einem kleinen Südberliner Theater. Nein, auch in Inszenierungen an größeren Stadt- und Staatstheatern galt es als ein gängiges Mittel, weiße Schauspieler auf Schwarz zu schminken. Aus Sicht antirassistischer Aktivist*innen ein klares No-Go, erinnert die Praxis des Blackfacing doch an die Minstrel-Shows des 19. und auch 20. Jahrhundert, in denen – nicht zuletzt in Deutschland – Schwarze von angemalten Weißen lächerlich gemacht wurden.
Anfangs überwog von Seiten der Theater die Abwehr: „Wir sind doch keine Rassisten und die Kunst muss frei sein. Auch von Moral. Sonst komme keine Kunst, sondern Kunstgewerbe heraus“, fasste die Autorin und Journalistin Esther Slevogt kurz und bündig die Mechanismen zur Aufrechterhaltung der „Diskurshoheit im Reich der Zeichen“ zusammen. Geduldig erklärten Aktivist*innen und Akademiker*innen immer wieder, dass die Ansicht, Blackfacing sei rassistisch, nicht auf einer subjektiven Einschätzung kritischer oder betroffener Zuschauer*innen beruhe, sondern auf einer eindeutigen Definition: „Als Rassismus lässt sich nämlich die Begründung einer Hierarchie auf der Basis einer an phänotypischen Merkmalen festgemachten Differenz bezeichnen“, schrieb etwa Joy Kristin Kalu noch 2014. Diese Differenz gründe „nicht selten auf einer willkürlichen, gar fiktionalen Setzung“, rechtfertige aber reale Machtausübungen wie Diskriminierung und andere Formen von Gewalt. Dazu bedürfe es der beständigen Aktualisierung der willkürlichen Zuschreibungen – und zu diesen Aktualisierungen trage auch kulturelle Zeichenproduktion bei. Im Theater können „ethnische Identitätszuweisungen sowohl unkritisch reproduziert als auch kritisch reflektiert werden“, wie die Theaterwissenschaftlerin Hanna Voss in ihrer Studie „Reflexion von ethnischer Identität(szuweisung) im deutschen Gegenwartstheater“ schreibt.
„Man muss kein Rassist sein, um rassistisch zu handeln.“
Wie der Kritiker Nikolaus Merck früh in der Debatte bemerkte, war das Theater beim Thema Blackfacing aufgefordert, sich nicht vorrangig als ästhetische Anstalt zu begreifen, die im Luftleeren agiert – heute würde man sagen: in der Theater-Filterblase –, sondern als Akteur im politischen Raum: „Und dort ist es nicht üblich, dass der Kritisierte selbst darüber entscheidet, ob Kritik zulässig ist oder nicht“, so Merck. „Das Theater ist als Teil der Gesellschaft, als ein Mittel der Verständigung der Gesellschaft über sich selbst, ständig auf die Gesellschaft bezogen.“
Man müsse kein Rassist sein, um rassistisch zu handeln, lautet(e) demnach der Mahnspruch, der die weiße Mehrheitsgesellschaft zum Überdenken der eigenen Position – und oft nicht reflektierter Privilegien – aufrief. Off- wie online wurde hart diskutiert, es ging um das große Ganze – das Selbstverständnis des weitgehend weiß geprägten deutschsprachigen Sprechtheaterbetriebs. Wer spielt wann, wo und wie wen? Denn in den Ensembles landauf, landab: so gut wie ausschließlich weiße Gesichter.
Langwieriger Prozess der Selbstaufklärung – auch beim Theatertreffen
Im Zuge der Debatte gründete sich das Bündnis Bühnenwatch – ein Zusammenschluss von Personen aus Kunst, Wissenschaft und Journalismus, der als öffentlichkeitswirksame Task Force auf Rassismen an deutschen Bühnen hinwies. Am Deutschen Theater Berlin etwa verließen 42 Aktivist*innen demonstrativ eine Vorstellung von Dea Lohers „Unschuld“ in der Regie von Michael Thalheimer und verteilten anschließend Flyer, weil hier zwei Figuren, dargestellt von weißen Schauspielern, durch schwarze Schminke als „illegale Immigranten“ aus „Afrika“ kenntlich gemacht wurden. Das Deutsche Theater zeigte sich nach Diskussionen lernbereit: die schwarze Farbe wurde durch weiße ersetzt – was gut gemeint war, aber der Theaterwissenschaftlerin Joy Kristin Kalu zufolge die „dichotomische Markierungspraxis“ nur verschob. „Eine mögliche Alternative wäre es gewesen, auf die simple Markierung der Migranten als ‚anders‘ zu verzichten und sich auf Lohers Text zu verlassen, der dieser Bebilderung keinesfalls bedarf“, lautete Kalus lösungsorientierter Hinweis für eine nicht-rassistische Form der Repräsentation. Blackfacing konnte nach dieser Debatte eigentlich nicht mehr ‚unschuldig’ oder unwissentlich verwendet werden. Aber der Weg zu einem nicht-rassistischen Theater, das wurde klar, würde ein langer werden. Wie mühsam und langwierig sich der Prozess der Selbstaufklärung der weißen Theater-Mehrheitsgesellschaft darstellt (zu der übrigens auch die Autorin dieses Textes gehört), lässt sich beispielhaft am Theatertreffen ablesen. Blackfacing beim Theatertreffen? Ja, zuletzt 2015. Eine kleine, keine Vollständigkeit behauptende Zusammenstellung von Blackfacing-Vorfällen sei hier für den Zeitraum angegeben, in der das Theatertreffen vom Nachwuchsinstrument der TT-Festivalzeitung (ab 2005) beziehungsweise des Theatertreffen-Blogs (ab 2009) begleitet wird.
2005: Stefan Puchers „Othello“
Als 2005 Stefan Pucher seinen „Othello“ sich mit Rockstar-Glamour-Gestus im fein gesponnenen Intrigengeflecht Jagos verfangen ließ, wurde weder in der TT-Festivalzeitung noch in Kritiken wie in der FAZ vom Blackfacing geschrieben – obwohl Alexander Scheers Othello am ganzen Körper schuhcremeschwarz angemalt war, die Lippen riesenrot geschminkt. Damals ein blinder Fleck. Aus heutiger Sicht muss man sagen, dass die Darstellung von Shakespeares schwarzem Feldherrn bei Pucher bestenfalls ambivalent ist.
„Ich hasse den Schwarzen“, versichert Wolfram Kochs kühl taktierender Jago zu Beginn. Er eröffnet den Deutungsrahmen, prägt die Sicht auf Othello – und seine (mehrere Opfer fordernde) Intrige wird am Ende, anders als bei Shakespeare, ungestraft bleiben. Jago bleibt Sieger auf ganzer Linie, auch wenn die Inszenierung seine schmutzigen Tricks offen legt. Scheers Othello ist ein agiler Stratege, erfolgreich und von Staates Seite geschätzt, hört aber allzu gutgläubig auf ihm Nahestehende. Beträufelt mit dem Gift der Eifersucht, verwandelt er sich in einen Rasenden. In einer erschöpfenden Rock-’n’-Roll-Performance tobt Scheer durch das Bühnenbild von Barbara Ehnes – und plötzlich assoziiert sich der Figur noch ein anderes abwertendes Stereotyp: Was wie die Klippen einer Insel erschien, wirkt nun wie ein Gehege im Zoo, durch das „der Schwarze“ turnt wie ein Affe. Autsch.
„Ein bestenfalls halbbewusstes Reproduzieren von Klischees verfestigt diese lediglich.“
Die Markierung der Figur durch das Blackfacing, kurz geschlossen mit dieser abwertenden Stereotypisierung, potenziert den rassistischen Effekt der Darstellungsweise. Und so souverän der Schauspieler Scheer sein Rollenpensum auch bewältigt: in einer spektakulären Außen-Szene, die in den Hamburger Vorstellungen per Video ins Theater eingespielt wurde, steht die schwarz angemalte Figur Othello als einzige nackt auf dem Vorplatz des Schauspielhauses, im Kreis der übrigen Schauspieler – Anzug tragender, älterer, weißer Herren. Weil Pucher die schwarze Ganzkörperfarbe in einer Duschszene als nicht abwaschbar und damit quasi naturalisiert zeigte, weckt auch diese Darstellung ungute Assoziationen mit Unterhaltungs- oder Ausstellungsformaten, in denen (nackte) schwarze Körper der Unterhaltung des (weißen) Publikums dienen mussten.
Othello wird in Puchers Lesart aus den oberen Hierarchierängen der Gesellschaft verstoßen, durch eine ungesühnte Intrige. Ihm wird der soziale Platz zugewiesen, der einem „Schwarzen“ der jahrhundertelangen Diskriminierungspraxis entsprechend ‚zusteht‘: Ein Job in der Unterhaltungsindustrie, könnte man zynisch formulieren. Und so singt Scheer, nun im goldenen Glitzeranzug statt in Militäraufmachung, zum Schluss „The Boss“ von James Brown – vom hohen Preis, den es kostete, temporär ganz oben mitzuspielen. Auch wenn Pucher rassistische Effekte vermutlich nicht intendierte, bestätigen seine Inszenierung – und Reaktionen darauf wie in der FAZ, in der der Puchers Othello als Instinktwesen aus der Unterschicht verstanden und der Rassismus zusätzlich mit Klassismus verschränkt wird – dass ein bestenfalls halbbewusstes Reproduzieren von Klischees diese letztlich verfestigt.
2013: Sebastian Baumgarten „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“
Eine Blackfacing-Debatte später wurde der innertheatrale Diskurs 2013 mit der Einladung von Sebastian Baumgartens „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ quasi noch einmal auf Null gestellt. Brechts Figur der Frau Luckerniddle ließ Baumgarten mit geschwärztem Gesicht und dick ausgestopftem Hinterteil spielen. Auch diese Kombination zweier Zeichen verschärfte den Rassismus – denn so rief Baumgarten unreflektiert nicht nur Minstrel-Stereotype auf, sondern auch Leidensgeschichten wie die von Sarah Baartman, die als Exponat auf Jahrmärkten ausgestellt wurde und Opfer rassistisch-kolonialer Medizinexperimente war.
Der Protest gegen die „plumpe Iteration verletzender Zeichen“ beim Theatertreffen war entsprechend deutlich. So kommentierte Bühnenwatch in einem Offenen Brief an das Theatertreffen und die Juror*innen sowie das Schauspielhaus Zürich: „Diese Zeichen sind weltweit Synonyme für jahrhundertelange Unterdrückung von Schwarzen Menschen und Menschen of Color durch Weiße. Sie stehen für Versklavung, Deportation, Mord, Völkermord, Ausbeutung, Landnahme, soziale Ausgrenzung und die Betonung der weißen Vorherrschaft. Zu behaupten, diese Zeichen wären rein ästhetische und darüber hinaus neutral, bedeutet die Leugnung dieser (gemeinsamen) Geschichte.“ Einigermaßen aufgescheucht, veranstaltete das Theatertreffen eine Diskussionsveranstaltung, wo noch einmal die wichtigsten Debattenpflöcke eingerammt wurden – und etliche Missverständnisse bestehen blieben. Auch hier also: Lernwille, aber noch kein annähernd adäquater Umgang mit Rassismus. Wie könnte der gehen?
2015: Nicolas Stemann „Die Schutzbefohlenen“
Wohlmeinend war der Versuch von Nicolas Stemann für sein Jelinek-Projekt „Die Schutzbefohlenen“ beim Theatertreffen 2015: Mit einem „Flüchtlingschor“ aus geflüchteten (Laien-)Schauspielern, die in der Hamburger St.-Pauli-Kirche Aufnahme gefunden hatten, und acht Schauspieler*innen aus dem Umkreis des Thalia Theaters inszenierte Stemann Jelineks Textkonvolut um Flucht und das Verhältnis von „wir“ und „ihr“ – explizit Rassismus thematisierend („der Rassismus hat bei uns auch keinen Platz gefunden“).
Auch hier: eine Blackfacing-Szene. Sebastian Rudolph, der als Teil eines Trios weißer Schauspieler zuvor in begriffsstutzig-gebrochenem Englisch mit seinem hochdeutsch sprechenden, schwarzen Schauspielkollegen Ernest Allan Hausmann interagierte und ihn gezielt missverstand, malt sich das Gesicht, die Arme, den Bauch schwarz. Scheinbar neutralisiert wird das Blackfacing dadurch, dass auch die anderen Schauspieler*innen sich anmalen: Hausmann weiß, Thelma Buabeng gelb, Barbara Nüsse rot. Aber für Rudolphs Figur, und nur für sie, hat das Schwarzbemalen Folgen, nachdem ihm Felix Knopp auch noch eine Kraushaarperücke (!) übergestülpt hat: Daniel Lommatzsch und Knopp schlagen Rudolph mit ihren Textblättern ins Gesicht, verjagen ihn aus ihrer Reihe, grenzen ihn aus. Das ist vermutlich kritisch gemeint – aber auch hier fügt das Hantieren mit Klischees („das wird man ja wohl nochmal sagen dürfen“) diesen keine aufklärerische Dimension hinzu, sondern reproduziert sie letztlich.
Ambivalente Zeichen also auch hier. Interessant ist in Stemanns „Schutzbefohlenen“ eine Kapitulationserklärung: „Wir können euch nicht helfen, wir müssen euch doch spielen!“, ruft die Kerntruppe der Schauspieler*innen. Ist das so? Wirklich? Was passierte, wenn die mit dieser Aussage Gemeinten selbst das Wort ergriffen? Mit der Einbindung der Geflüchteten ist Stemann einen Schritt in diese Richtung gegangen. Aber noch hat die weiße Theatermehrheitsgesellschaft hier die Produktionsmittel fest in den eigenen Händen.
2018: Anta Helena Reckes „Mittelreich“
In diesem Jahr ist das erstmals anders: Mit Anta Helena Reckes „Mittelreich“ ist eine bewusst mit Fragen des Rassismus befasste Inszenierung aus der Regiehand einer Person of Color zum Theatertreffen eingeladen. In einer Geste der Appropriation hat Recke eine „Schwarzkopie“ von Anna-Sophie Mahlers Romanadaption erstellt. Einzige größere Änderung gegenüber Mahlers Fassung: Alle Rollen sind mit schwarzen statt weißen Schauspieler*innen besetzt. Reckes „Mittelreich“ belegt damit, entgegen den Argumenten, wie sie zu Beginn der Blackfacing-Debatte ins Spiel gebracht wurden, dass es hierzulande längst genügend professionelle schwarze Schauspieler*innen gibt, um komplette Inszenierungen und damit auch: Ensembles zu besetzen.
„Veränderung findet kleinschrittig statt.“
Auch sechs Jahre nach Debattenstart sind also solch aufklärerische Gesten nötig. Veränderung findet kleinschrittig statt: Die Mitarbeiter*innen des Deutschen Theaters Berlin und der Berliner Festspiele belegten mittlerweile einen Kurs in Critical Whiteness. Und das Theatertreffen nimmt den Komplex (Anti-)Rassismus und (Post-)Kolonialismus dieses Jahr mit Diskussionsveranstaltungen wie „Unlearning History“ in den Blick.
Hoffnung auf beschleunigende Abkürzungen in der Entwicklung zu einem antirassistische(re)n oder, positiv: diverseren Theater macht seit 2013 das Berliner Maxim-Gorki-Theater, das allabendlich beweist, dass deutschsprachiges Stadttheater ohne die essenzialisierende Markierung von Hautfarbe oder Herkunft möglich ist (wie im Übrigen auch schon während Armin Petras’ Intendanz, als der schwarze Südtiroler Michael Klammer Mitglied im Ensemble und häufig Hauptdarsteller aller möglichen Klassiker war). Vereinzelt war und ist das Stadt- und Staatstheater ja auch schon weiter (gewesen): Zeitgleich mit Puchers „Othello“ war 2005 die Volksbühnen-Inszenierung „Kunst & Gemüse, A. Hipler“ zum Theatertreffen eingeladen, in der Christoph Schlingensief mit dem Simbabwer Regisseur Hosea Dzingirai als gleichberechtigtem Schaffenspartner agierte (obgleich die Inszenierung unter Schlingensiefs Namen läuft). Und die 2011 beim Theatertreffen präsentierte Stückentwicklung „Verrücktes Blut“ von Nurkan Erpulat und Jens Hillje, damals noch am Ballhaus Naunynstraße, spielte auf Grundlage von Schillers „Kabale und Liebe“ vergnüglich mit Klischees – verhandelt von jungen Schauspieler*innen mit sogenanntem (post-)migrantischem Hintergrund’.
Hier wurde schon deutlich, worin der Ausgang aus der selbst verschuldeten Unwissenheit besteht: Platz zu machen und Theaterschaffende, die noch immer im Betrieb zu wenig sichtbar werden, selbst agieren zu lassen, statt ihre Position gut gemeint ins eigene Tun einzubeziehen – und dann doch wieder bei den Stereotypen zu landen.
Wie schrieb die Theatermacherin Simone Dede Ayivi anlässlich des schwarzen Superheldenfilms „Black Panther“: Die Frage, ob das im Film vermittelte Bild von Afrika empowernd oder exotisierend sei, habe sich bisher nicht stellen lassen, weil sie filmisch nicht verhandelt worden sei: „Wie die Ästhetik eines Superheldenfilms in Afrika aussehen soll, lässt sich effektiv nur besprechen, wenn es diese Filme gibt.“ Wie also ein diverses Theater aussehen kann, wird nur ein diversifiziertes Theater zeigen, das eine neue, in farbassoziierter Hinsicht neutrale Normalität auf den deutschsprachigen Bühnen etabliert.