Live-Blog vom Publikumsgespräch zu „Das Werk/Im Bus/Ein Sturz“

Theatertreffen-Bloggerin Fadrina Arpagaus schreibt in ihrer Kritik über das „zum Schweigen verdammte Publikum“. Heute Abend darf es auch zurückreden. Ab etwa 23.00 findet im Haus der Berliner Festspiele das Publikumsgespräch zu „Das Werk/Im Bus/Ein Sturz“ statt. Mit dabei sind Regisseurin Karin Beier, Dramaturgin Rita Thiele und das Ensemble. Hier die Nachlese zum Live-Blog.

Publikumsgespräch zu "Das Werk/Im Bus/Ein Sturz". Foto: Katrin Schmitz

23.02 Haus der Berliner Festspiele, Kubus im Rangfoyer. Publikum ist bereits zahlreich erschienen. Das Ensemble lässt noch auf sich warten. Die finale Wasserschlacht scheint den Schauspielern doch zugesetzt zu haben.

23.05 Karin Beier bekommt den Eröffnungsapplaus. Außerdem am Podium: Rita Thiele, Dramaturgin der Produktion, Vasco Boenisch, TT-Jurymitglied und die Moderatorin Barbara Burckhardt.

23.10 Vasco Boenisch erzählt über den Auswahlprozess. Weit kommt er nicht. Das Ensemble erscheint (fast) geschlossen.

23.12 Boenisch setzt fort. „Mal krachlederne Komödie, mal sehr beklemmende Stille“

23.14 Rita Thiele klärt den Bezug zur Stadt Köln. „Der Einsturz des Stadtarchivs hat diese Stadt traumatisiert.“ Zusätzlich sei auch der Abriss des Schauspielhauses zur Debatte gestanden.

23.15 Eigentlich wollten die Kölner von Elfriede Jelinek nur einen „kleinen Text, ein paar Seiten“ über das Stadtarchiv haben. 39 Textseiten „Ein Sturz“ kamen nach zwei Monaten zurück.

23.22 In Karin Beiers Inszenierung von „Das Werk“ fehlt über die Hälfte des Textes. Die Regisseurin über ihre Auswahlkriterien: „Wir wollten Themen herausschälen, wie etwa die Frage nach Verantwortung oder die Auseinandersetzung mit Österreichs brauner Vergangenheit.“ Was fehlt: Das World Trade Center und das Gletscherbahnunglück von Kaprun.

23.24 Karin Beier über die „Zauberflöten„, den schwulen Chor, der im Stück prominent vorkommt. „Ein absoluter Glücksgriff. Eine Professionalität, die ich selten erlebt habe.“ Spontaner Applaus.

23.27 Johannes Schütz spricht über sein Bühnenbild. „Es musste bloß Funktionen erfüllen. Also den Übergang vom bürokratischen Alltag zur urbanen Jauchegrube sichtbar machen.“ In diesem Fall sei das weniger ein ästhetisches Problem gewesen.

23.28 Zwischenapplaus für den enormen technischen Aufwand der Produktion.

23.30 Karin Beier über die Assoziation zum Reaktorunglück in Fukushima „Es war elektrisierend und schockierend, welche Aktualität die Texte haben.“ Elfriede Jelinek sei ja auch schon bei „Die Kontrakte des Kaufmanns“ erschreckend visionär gewesen.

23.33 Endlich darf das Publikum ran. „Wie kam es zur Musik im Stück?“

23.35 Karin Beier antwortet. „Ich wollte die Stücke immer schon als Konzert inszenieren.“ Elfriede Jelinek sei ja selbst Musikerin und ihre Texte immer musikalisch, wie komponiert. „Mit diesem Element wollte ich auch arbeiten.“

23.39 Frage aus dem Publikum: „Ist die Transferierung von Köln nach Berlin ein Problem, inhaltlich?“

23.40 Vasco Boenisch findet, dass Misswirtschaft überall in Deutschland zuhause ist.

23.43 Eine englischsprachige Besucherin wundert sich, warum die Schauspieler in „Ein Sturz“ so wenig gesprochen haben.

23.43 Karin Beier: „Hier will sogar niemand die Verantwortung übernehmen, die Texte zu sprechen.“

23.44 Kathrin Wehlisch über ihre Rolle als „die Erde“: „Das geht mich emotional an. Ich hab nur meinen Körper.“

23.45 Eine Zuseherin erzählt, sie sei zu spät gekommen und konnte erst nach der Pause Einlass finden. Die freie Zeit hat sie zur Textlektüre genutzt. Daher ihre Frage an Karin Beier: „Vertrauen Sie dem Text?“

23.46 Beier findet, dass Jelineks Texte viele Möglichkeiten bieten. Aber: „Zuerst ist es immer ein Schock, wenn man den Text kriegt.“ Sie wollte sich hauptsächlich auf „atmosphärische Verläufe“ konzentrieren.

23.51 Moderatorin Barbara Burckhardt will den Schauspielern nun endlich ihr Bier gönnen. Zuvor macht sie noch Werbung für das tt-Blog. Schlussapplaus.

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Leopold Lippert, geboren 1985 in Mistelbach (Österreich), studierte Anglistik und Amerikanistik in Wien und Washington, DC. Nach einigen Unijobs arbeitet er momentan an seiner Dissertation zu Amerikanisierung und Performance. Er lebt in Wien, schreibt über Theater in wissenschaftlichen Zeitschriften, beim Online-Magazin fm5.at und auf seinem Blog.

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