N wie… Nebel!

Nebelschwaden ziehen aktuell durch die verschiedenen Produktionen des Kunstbetriebs und verdichten sich zu einer neuen, angesagten Smog-Ästhetik. Sie sind auch beim Theatertreffen angekommen.

Nebelschwaden ziehen aktuell durch die verschiedenen Produktionen des Kunstbetriebs und verdichten sich zu einer neuen, angesagten Smog-Ästhetik. Sie sind auch beim Theatertreffen angekommen.

Dichte Rauchschwaden dominieren das Bühnenbild von Thom Luz‘ „Traurigen Zauberern“. Manche gehen zu Boden, andere widersetzen sich dem Drang zu sedimentieren, konturieren sich wolkengleich und ziehen beständig in die Zuschauerränge. (Aus denen vereinzeltes Husten zu hören ist.) Flüchtiger Rauch verdichtet sich zu ästhetischer Konstanz. Durch diesen pflichteifrigen Einsatz von Bühnennebel hat die derzeit im Kunstbetrieb so angesagte Smog-Ästhetik endlich auch das Berliner Theatertreffen erreicht!

Szenenwechsel – Blick über den theatralen Tellerrand: Anne Imhof, die zeitgleich zum Theatertreffen den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig bespielt und dafür einen Goldenen Löwen gewann, avancierte nicht zuletzt durch den konsequenten Einsatz von Nebel zum feuilletonistisch gefeierten Star der Stunde. In der raumgreifenden Installation „Angst II“ (2016) im Hamburger Bahnhof, die aus Sicht der bildenden Künste ach so performativ war, aus Sicht der szenischen Künste durchaus Bekanntes reproduzierte, bisweilen ennuyierte, war Nebel ein heimlicher Protagonist.

Die Nebelmaschine ist mittlerweile also Karrierebefähigerin, war immer schon Illusionserzeugerin. (Dass sich auch Drohnen neben Rauchschwaden richtig gut machen und das Ganze auf Zeitgeist trimmen, könnte man Thom Luz noch zuflüstern.) Einsteigergeräte sind schon unter 30€ zu haben, dem DIY-Nebel steht wenig entgegen. Dichte und Standzeit sind vom Modell abhängig. Zur Not tut es auch ein Dampfbügeleisen, und kreiert den erwünschten Dunstkreis im Kleinen.

Ja, Nebel verschleiert, verdeckt graduell, erzeugt eine geradezu zwielichtige Raumtiefe. In Sachen Erlebnisqualität zieht Kunstnebel mit seinem meteorologischen Pendant gleich – sensorische Orientierung wird erschwert, nicht zu Unrecht nennt sich der Verwirrte „benebelt“. Um aus der Dauerbenebelung zu erwachen, wäre der Einsatz einer Nebelbombe zu empfehlen: von der Demonstration über’s Sportstadion zum Theater der Opazität. Jüngst gesehen auch bei Swoosh Lieu in Neonpink und pyrotechnisch angedeutet bei der Svalbard Company. Vielleicht ein Trend für 2018?

Zu den weiteren Einträgen in unserem Theatertreffen A bis Z.

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Katharina Alsen

Autorin/Wissenschaftlerin, Hamburg und Stockholm. Studierte Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte in Hamburg und Oxford. Ihre theaterwissenschaftliche Promotion widmet sich Inszenierungen von Intimität. Darüber hinaus arbeitet sie zu immersiven Performance-Formaten und nordeuropäischer Kunst.

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