Eine Zaubershow, bei der der Zuschauer alle Tricks durchschaut, ist eine schlechte Show. Viktor Bodó legt in seiner Inszenierung von Peter Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ vom Schauspielhaus Graz alle Tricks offen. Bei ihm entsteht daraus erst die Magie.
Ein Kameramann läuft über die Bühne, die aus Guckkastenmodulen besteht. Er hält drauf, wenn die Schauspieler, zur Hälfte aus dem Grazer Ensemble, zur Hälfte aus Bodós ungarischer Gruppe Szputnyik Shipping Company, Alltagsszenen im Kaffeehaus, im Büro, im Krankenhauszimmer oder Fahrstuhl spielen. Die Kamera dreht sich um 90 Grad, und schon sieht es so aus, als klettere ein Entkräfteter die Häuserwände hoch. Ein Anzugträger wird von einem Motorradfahrer erfasst, er bewegt die Arme und Beine in Zeitlupe. Auf der Leinwand fliegt er in Slow-Motion durch die Luft. Es ist ein Spiel mit Wahrnehmungen.
Zufälle bestimmen den schnellen Ablauf, paradoxerweise bedarf es dazu eines präzisen Timings der Techniker und der Schauspieler. Von Handkes Typen fehlt fast jede Spur. Da läuft kein Mann mit Lamm unter dem Arm durchs Bild. Aber Bodó hat für Handkes poetische Beschreibungen eine eigene poetische Bildsprache gefunden. Die sechzigseitige Regieanweisung darüber, wie sich Passanten auf einem Platz kreuzen, wäre Vorlage gewesen für allerhand Gesellschaftskritisches. Der 31-jährige Ungar macht daraus unpolitisches, aber sehr unterhaltsames Bildertheater, in dem sich Kaffeehausmusik von einem Trio im Orchestergraben und Queen aus der Konserve genauso schnell abwechseln wie die einzelnen Szenen. Wenn die Ehegattin dem Mann Schrauben in der Pfanne serviert oder eine Frau sich unvermittelt in die Kamera dreht, ihr eines Lid seltsam gelähmt, dann schimmert sogar der Alptraum durch.