Spiegel im Spiegel – „Amphitryon und sein Doppelgänger" von Karin Henkel

Jannis Klasing besuchte die zweite Aufführung von Kleists „Amphitryon und sein Doppelgänger“ in der Inszenierung von Karin Henkel am Schauspielhaus Zürich. Seine Kurzkritik ergänzt Hannah Wiemers und Manuel Brauns Eindrücke von der Berlin-Premiere am Deutschen Theater.
Das anfänglich schummerige, düstere Bühnenlicht legt eine falsche Fährte.
Denn wenn in Karin Henkels „Amphitryon und sein Doppelgänger“ vom Schauspielhaus Zürich wenig später gleich fünf Sosiase hintereinander mit den immer gleichen Sätzen auf die Bühne geweht werden, wird recht schnell deutlich, dass man sich schließlich wohl doch, entgegen aller anderen Befürchtungen, in einer Komödie befindet.
Die Inszenierung spielt alle ihre Möglichkeiten gekonnt aus, vor allem das Potenzial der Verwechslungskomödie wird bis zum Bersten ausgereizt. Die Verdopplungen und Vervielfältigungen der Figuren werden noch um ein Weiteres zur Vorlage potenziert, bis alle Identitäten vollständig durcheinander geraten. Selten wird dies ins beißend Psychedelische getrieben, sondern dient in dieser Inszenierung meistens dem szenischen Witz. Besonders deutlich immer dann, wenn die Schauspieler vorgeben, dass sie selbst in dem Wirrwarr nicht mehr zurecht kommen: „Ich hab hab mich von Anfang an nicht ausgekannt.“ Oder wenn einer der Amphitryonen verkündet:
Ich war Sosias, Merkur, Jupiter und Amphitryon, aber am liebsten wär ich Alkmene, die war ich noch nie.“
Das ist über weite Strecken in jedem Fall sehr unterhaltsam. Auch sind die Vervielfachungschoreografien beeindruckend variantenreich inszeniert. Doch hätte es dem Abend gut getan, den bedrohlichen Aspekten des Identitätsverlusts mehr Beachtung zu schenken und diese stärker zuzuspitzen. So löst sich die sicherlich virtuose Inszenierung, vor allem gegen Ende, dann doch ein wenig zu behaglich in Wohlgefallen auf.
 

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Jannis Klasing

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