Am Sonntagabend hat der Autor Bonn Park den Werkauftrag des Stückemarkts gewonnen. Und das, obwohl die Lesung seines aktuellen Stücks dazu nicht gerade beigetragen hatte.
Schon der Titel – „Das Knurren der Milchstraße“ – gibt einiges her. Vor dem Einlass fragt eine Frau: „Ist hier dann das Milchstraßenknurren?“ Zwei Wörter, die scheinbar nicht zusammenpassen, entladen sich durch ihre Kombination in ein Feuerwerk aus Wortwitz. Ähnlich ist es mit den zehn Figuren, die im Text jeweils durch ein Adjektiv charakterisiert und markiert werden: beispielsweise der fassungslose Kim Jong-Un, der ernüchterte Donald Trump, das krebskranke Kind. „Das Knurren der Milchstraße“ ist einer der sechs Texte, die zum diesjährigen Stückemarkt eingeladen wurden, und heute als szenische Lesung eine Art Premiere erlebt. Der Autor, Bonn Park, ist ein junger Dramatiker mit viel Theaterpraxis.
Schon während des Einlasses holt der Musiker Viktor Marek dunkle Klänge in Zweiertonabfolgen aus seinem Mischpult und versieht diese mit Nachhall. Das Knurren? Die Stimmen der Schauspieler*innen unterlegt er vereinzelt mit akustischen Effekten. Sylvia Rieger liest in schimmerndem violetten Kleid (mit Schleifen links, rechts und hinten), stellenweise mit großem Pathos und hier und da, als hätte sie den Text noch nie zuvor zu Gesicht bekommen. Überhaupt ist das eine etwas schräge Schauspielerin-Text-Kombination. Hier stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses Formats (szenische Lesung) und: Haben die das vorher mal geprobt?
Das Blut Donald Trumps
Zu Anfang landet ein „winziger mahnender Außerirdischer“ mit einem Raumschiff auf der Erde. Er betrachtet die Menschen von außen und trägt einen Namen, als hätte der Autor Bonn Park beim Tippen kurz die Augen geschlossen. Aus den Menschen wird er nicht schlau: Einerseits sind sie „voll dumm und scheiße“ und dann wieder „niedlich“. Mit dieser Dichotomie spielt der Milchstraßentext, der eine fiktive Zukunft konstruiert, durchweg. Er macht faktische Figuren wie Kim Jong-Un nicht sympathisch, aber unglaublich witzig. Verzweifelt verliert dieser sich im Internet-Rechercherausch, um „die Koreas wiederzuvereinigen“. Donald Trump versteht es, Banknoten mit seinem Blut zu vermehren und ist auf der Suche nach neuen guten Ideen, die er noch nie hatte.
Mit viel Phantasie schafft Park es außerdem, subtile Zwischentöne auszudrücken, die im Alltag nicht immer artikuliert werden. Dafür findet er allerlei kreative Strategien. Die Magermodel-triezende Heidi Klum ist in der Milchstraßen-Zukunft fett geworden, frisst alles Böse auf und erzählt Witze über sich selbst:
Dabei schwankt der Text beständig zwischen Utopie und Dystopie. Waffen werden von Trump zu einem eindrucksvollen Gebilde eingeschmolzen („damit die Welt besser wird“), an einen Kunstsammler verschenkt, der im nächsten Moment aus dem Gebilde wieder Waffen macht, um sie weiterzuverkaufen. Absurd und doch real wie die undurchsichtige Waffenindustrie. Zweifelsohne fänden viele Theatermacher*innen an den Regieanweisungen ihren Spaß („Alle Beteiligten und viele ausgestorbene Tiere dieser Welt treten auf und formieren ein imposantes Kammerorchester….“).
Die raumgreifende Sylvia Rieger
Auch im Text: Der wütende Bonn Park aus der Zukunft, gefangen im Körper eines 11-jährigen Mädchens. Diesen Part liest der Autor selbst und wirkt dabei trotz flippigem Outfit (Wollmütze mit Pinguin-Aufdruck und lachsfarbenes Hemd) ein wenig schüchtern. Auf einer anderen Lesebühne (Kabeljau & Dorsch) zeigte Bonn Park letzten Sommer bereits eine mühelose Leseperformance, vom Schwizerdütsch ins Hochdeutsche zu unterschiedlich verstellten Stimmen und wieder zurück wechselnd. Diesen Raum muss er heute nicht einnehmen, dafür sind ja die Schauspier*innen da. Ob ihm das gefällt?
Sylvia Rieger füllt diesen Raum gerne aus: „Oh, wo ich gerade Peymann lese, muss ich eine Geschichte erzählen…“. Dann kommt die Geschichte von Claus Peymann, der beim Theatertreffen sein Buch vor dem Berliner Festspielhaus verkauft:
Danach erzählt sie eine weitere Geschichte, von zwei gelangweilten Kritikern, die immer alles anschauen und darüber schreiben müssen. „Jetzt aber zurück zu Bonns Text“, ruft sie nach einem kleinen Lichtjahr und liest weiter.
Aber dann kommt ein Teil, der auf der Bühne zur Interaktivität anregen soll: „Nehmen Sie die linke Hand der Person, der Sie gerade in die Augen blicken […] Ohrfeigen Sie die Person!“. Das Publikum will hier nicht so recht mitmachen – der Schauspieler Thomas Schmidt weckt eine dösende Frau auf: „Nicht schlafen bei der szenischen Lesung!“, danach geht es ein wenig besser. Weinen, küssen, kichern – das Publikum darf sich austoben, aber vielleicht würde das in Karlsruhe, wo der am Sonntagabend zum Stückemarkt-Favorit gekürte Bonn Park ein neues Stück zur Uraufführung bringen wird, besser funktionieren.
Das Knurren der Milchstraße
von Bonn Park
Szenische Lesung am Stückemarkt
Einrichtung: Markus Heinzelmann
Dramaturgie: Diana Insel
Musik: Viktor Marek
Mit: Sylvia Rieger, Johannes Schäfer, Thomas Schmidt