Die Nummer Eins sein

Das Theatertreffen ist nicht nur eine Leistungsschau der deutschsprachigen Theaterlandschaft. In den Uferstudios im Stadtteil Wedding treffen sich im Internationalen Forum täglich über vierzig junge Schauspieler, Regisseure, Autoren und Dramaturgen aus der ganzen Welt. Sie arbeiten miteinander in Workshops, erzählen sich aus der Heimat, diskutieren über ihre Idee von Theater. Mit dabei ist auch Modzinu Blaise Abolo-Sewovi. Der 34-Jährige kommt aus Togo. Er ist Schauspieler und Batik-Künstler.

Modzinu Blaise Abolo-Sewovi mit Theatertreffen-Ausweisband. Foto: Kim Keibel

Modzinu Blaise Abolo-Sewovi springt auf, stellt sich aufrecht in die Mitte des Raumes, drückt die Brust raus, breitet die Hände aus und sagt: „Es gefällt mir, die Nummer Eins zu sein.“ Wenn die Menschen lachen, wenn er auf der Bühne steht und einen Witz reißt, wenn er singt und Gitarre spielt, wenn sie ihm applaudieren. Deshalb ist Blaise Abolo-Sewovi Schauspieler geworden. Er hat schon vor Faure Gnassingbé, dem Präsidenten Togos gespielt, er tourt mit seiner „Compagnie Oriki“ durch das ganze Land, tritt bei Festivals in Nord- und Westafrika auf.

Kickern mit der Welt

Nun schaut er aus dem Fenster in einem Hotelzimmer in Wilmersdorf. Es regnet und regnet. Aber für Berlin und Sightseeing hat der Schauspieler sowieso kaum Zeit. Die kostbaren zwei Wochen, die er hier verbringt, sind vollgestopft mit Workshops, Diskussionsrunden, Theaterabenden. Und abends spielt er Kicker zusammen mit den anderen Teilnehmern des Internationalen Forums, mit deutschen Schauspielern, einer Tänzerin aus Kasachstan, eine Regisseurin aus Buenos Aires, einem Autor aus Schottland und all den anderen. Die Einladung zu diesem Treffen sei für ihn eine große Chance, sagt Abolo-Sewovi. Er ist neugierig darauf, wie andere über Theater denken.

Und er erzählt auch gerne über seine eigene Arbeit. „Wir versuchen durch unser Spiel Probleme in unserem Land zu lösen“, sagt er, „wir wollen zeigen, was gut und was schlecht ist.“ Im Repertoire der Wandertruppe ist etwa das Stück „Larmes de crocodile“ von Hubert Arouna. Es handelt von den Machenschaften der Bestatter, die kranken Menschen den Tod an den Hals wünschen, damit sie selbst das große Geschäft machen können. Oder von Männern, die neun Frauen und ihre liebe Not damit haben, alle Gattinnen und Kinder zu versorgen. Brennende Gesellschaftsthemen, als Komödie verpackt.

„Bei uns wird viel gelacht“

Die Compagnie Oriki ist ein reines Männer-Ensemble, Frauenrollen werden von Schauspielern mit Perücken übernommen. Gesprochen wird Französisch, die Amtsprache von Togo. „Aber jeder, der die Sprache nicht spricht, könnte die Geschichte verstehen“, glaubt Abolo-Sewovi. Die pantomischen Gesten der Schauspieler seien eindeutig. Manchmal tragen die Männer auch Masken und beziehen das Publikum ins Spiel mit ein. Stellen Fragen. Bekommen Antworten. „Bei uns wird viel gelacht“, sagt der Oriki-Schauspieler. In Berlin hat er „Kleiner Mann – Was nun?“ in der Inszenierung von Luk Perceval gesehen. Gut gefallen habe es ihm. „Auch wenn es so ganz anders ist als das, was ich kenne.“

Blaise Abolo-Sewovi hat Soziologie und Deutsch studiert. Gut deutsch zu beherrschen war Voraussetzung für die Teilnahme am Internationalen Forum. Abolo-Sewovi hat sich über das Goethe-Institut in Lomé beworben, dort wohnt er. Reisekosten und Unterkunft werden für ihn übernommen. Sonst wäre er nicht hierher gekommen, sagt er. Denn allein von der Bühne kann er nicht leben. Im Hotelzimmer liegt ein Stapel bunter Hemden und Tücher in Batiktechnik. Die hat er alle selbst gemacht. In Togo verdient er damit sein Zubrot. Nach Berlin hat er sie als Geschenke in den Koffer gepackt. Es ist das erste Mal, dass Blaise Abolo-Sewovi in Europa ist. Und er weiß nicht, wann er wiederkommen kann.

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Anna Pataczek

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