Gelesen – wieder gelesen.
Eine literarische Miniatur.
Teil 1: Rainer Werner Fassbinder
Frisch wie Tau
Ein Weilchen wart in Liebe Trost
Die Lippen warn so zart, ich hab sie gern liebkost
Ich trank die Küsse, trank
Der Hoffnung Ewigkeit
Und bin des Hasses blank
So kurz der Liebe Zeit
Die Zeit die wandert rinnt erst frisch wie Tau
Mit trockner Kehle sind und wird dann rau, so rau.
Rainer Werner Fassbinder
Das Gedicht „Frisch wie Tau“ vom jungen Rainer Werner Fassbinder ist mir aus dem Internet entgegen gefallen, aus meinem Handy heraus gefallen, zusammen mit Gedankenscherben, der Verweigerung des leichten Lebens, dem Bewusstsein einer schlechten Zeit für Gefühle, dem Unterlegenheitsgefühl gegenüber einem konfusen allumfassenden System. Ausgehend von dem Abend Die Ehe der Maria Braun an der Schaubühne, ein paar Gedankenfetzen, die mir während der Vorbereitung kamen. Wie dieser kleine Splitter, der mir im Internet von einer fremden Männerstimme vorgelesen wird.
Ein Weilchen, was für ein schwaches Versprechen, was für ein liebreizendes Wort.
Wie schön liest sich die Angst vor der Vergänglichkeit, wie zitternd hört sich die ferne Flaschenpost durch die Zeit an. Nichts von dem hochtrabenden Augenblick, verweile doch – nur unerfüllte Sehnsucht. Gärtner sind wir, blumenlos gewordene. Und stehn auf einem Stern, der strahlt. Und weinen (Nelly Sachs). Der Hoffnung Ewigkeit, der Hoffnung halber sind wir trotzdem hier, umgeben von einer Welle Ratlosigkeit, so kurz der Liebe Zeit, was ist mit all dieser Hilflosigkeit, sie wirft uns zurück, auf unser Menschsein zurück, dem wir nicht mehr in dieser Welt entfliehen. Hass. Das Verschwinden ist unerträglich, es schmerzt, es zerrt an dir. Liebe macht es unerträglich, Liebe macht es tröstlich. Noch wandert die Zeit, frisch wie Tau. Ach, mehr als ein Weilchen, mehr als ein Weilchen.
Das Gedicht, es wurde an mein Land gespült, wie Paul Celan es nennen würde, mein Herzland.