„Ich krieg ja auch Gage!“

In „Testament: Verspätete Vorbereitungen zum Generationswechsel nach Lear“ des Performance-Kollektivs She She Pop sind auch die Väter der Gruppe beteiligt. Peter Halmburger, der Vater von She She Pop-Mitglied Fanny, erzählt von seinem neuen Leben als Schauspieler.

Peter Halmburger, einer der She She Pop-Väter. Foto: Leopold Lippert

Wie gehen Sie mit der Öffentlichkeit um, die der Erfolg von „Testament“ mit sich gebracht hat? Haben Sie bewusst überlegt, wie viel Sie von sich preisgeben wollen?

Für mich ist das Thema Privatsphäre kein so großes Problem. Es ist ja ohnehin klar, dass nicht alles, was im Stück vorkommt, eins zu eins der Wirklichkeit entspricht. Da werden zum Glück eher allgemeine Fragen verhandelt, die dann ein Auslöser für Diskussionen sein sollen. Daher kann ich ganz entspannt damit umgehen. Meiner Erfahrung nach ist es ja so, dass gerade die Leute, die immer auf ihre Privatsphäre pochen, sich eher gegenteilig verhalten.

Wie ist es denn zu Ihrer Beteiligung an dem Stück gekommen? Musste man Sie lange überreden?

She She Pop hatten von Kritikern immer den Vorwurf bekommen, dass sie keine „klassischen“ Theaterstücke spielen. Als Gegenreaktion haben sie dann über „King Lear“ nachgedacht und sind ziemlich bald auf die Idee gekommen, den Text aufzubessern und ihre eigenen Väter einzubauen. In meinem Fall war nicht viel Überredungskunst notwendig. Meine Tochter hat mich in Stuttgart besucht und gefragt, ob ich mitmachen möchte. Mir hat das natürlich gefallen, und ich habe spontan ja gesagt.

Wie verliefen die Probenarbeiten? Alles eitel Wonne?

Erst ganz klassisch und professionell. Wir Väter sind öfter nach Berlin gekommen und haben erst mal jede Menge gemeinsam gelesen und Filme geguckt. Während der Proben gab es dann schon auch heftige Auseinandersetzungen, die nicht alle in der Inszenierung vorkommen. Einige Väter hatten durchaus Probleme mit der Öffentlichmachung ihres Privatlebens. Einer war auch permanent am Abspringen, weil er mit dem Theaterbegriff von She She Pop nichts anfangen konnte. Das war zwischendurch schon hart. Für mich waren aber gerade das die Sternstunden, weil diese Intensität so besonders war!

Was ist denn Ihre Vorstellung von Theater? War der Zugang von She She Pop für Sie ein Problem?

Nein, gar nicht. Ich habe auch keine festgefahrene Meinung, wie Theater sein muss. Die Sachen, die ich von She She Pop gesehen habe, fand ich immer schon spannend, weil sie mich auf einer sehr einfachen Ebene berührt haben. Und dass She She Pop ein Kollektiv sind, das Hierarchien ablehnt, fand ich als alter 68er natürlich grundsätzlich spannend. Ich bin ja selber in einem Architekturbüro, das kollektiv organisiert ist. Aber was das Theater angeht, habe ich durchaus Verständnis, dass man auch hier nach neuen Wegen suchen muss. Es ist wie überall: Alles bewegt sich.

Peter Halmburger vor der Premieren-Spielstätte Hebbel am Ufer. Foto: Leopold Lippert

Was kann „Testament“, was „King Lear“ nicht kann?

Ich habe, wenn ich ehrlich bin, noch nie „King Lear“ gesehen, und auch den Text vorher nicht so genau gekannt. In meinem Schauspielführer habe ich aber gelesen, dass das man den eh nicht so gut spielen kann, und dass es auch ein schwächeres Stück von Shakespeare sein soll. Lear ist ja schon, das muss man wohl so sagen, ein ziemlicher Idiot. Aber die Thematik ist einfach verständlich und hat eine Aktualisierung geradezu herausgefordert.

Die Aktualität ist ja hauptsächlich durch den Bezug zum sogenannten „Generationenvertrag“ hergestellt. Hat die Arbeit an „Testament“ ihre Meinung dazu verändert?

Ich habe das immer schon für einen künstlichen Konflikt gehalten. Natürlich muss man sich mit den demographischen Fakten auseinandersetzen, und das ist auch wirklich ein Problem. Aber diese öffentliche Polarisierung und auch Pauschalisierung sehe ich im Privaten einfach nicht. Im Gegenteil sieht man zwischen den Generationen unglaublich viel Zusammenhalt und gegenseitiges Aushelfen.

Wenn Ihre Tochter Sie heute nochmal um Aushilfe bitten würde: Wären Sie wieder dabei?

Ich würde das jederzeit wieder machen. (lacht.) Ich krieg ja auch Gage! (dreht sich nach seiner Tochter um, die mit Freunden am Nebentisch sitzt, und fährt verschwörerisch fort). Und eben hab ich gehört, dass die Väter-Gage wegen des großen Erfolgs sogar aufgestockt werden soll! Im Ernst: Wir Väter sind alle in Pension oder kurz davor, und da ist das doch eine tolle Gelegenheit, mal was ganz anderes auszuprobieren. Außerdem sieht man seine Kinder und Enkelkinder viel öfter und kommt in der Welt herum. Ich glaube aber, dass beim nächsten Mal die Mütter dran sind. Denn einige von unseren Ehefrauen sind schon ganz neidisch.

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Leopold Lippert, geboren 1985 in Mistelbach (Österreich), studierte Anglistik und Amerikanistik in Wien und Washington, DC. Nach einigen Unijobs arbeitet er momentan an seiner Dissertation zu Amerikanisierung und Performance. Er lebt in Wien, schreibt über Theater in wissenschaftlichen Zeitschriften, beim Online-Magazin fm5.at und auf seinem Blog.

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