Kulturpolitik inszenieren! Ein Nachmittag im KaterHolzig

Was macht die Kulturpolitik auf dem Dach eines Szeneclubs in Berlin-Mitte? Sie plant den Export innovativer Projekte in andere Städte und Stadtteile. Sie lernt etwas über neue Impulse für die kulturelle Szene. Kurz: Sie schnuppert ein wenig subversive Luft. Unter dem Titel „Politik trifft Theater“ sichtete die Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit dem Theatertreffen die freie Szene in Berlin. Für den Samstag, 11. Mai, stand für die Teilnehmer dieses Programms ein Hausbesuch im KaterHolzig an. Ich war dabei.

Kater Holzig

Blick auf das Gelände des KaterHolzig. Foto: Carolin Saage

Das KaterHolzig ist in erster Linie ein legendärer Club für Elektro-Techno-Sonstiges und in zweiter Linie ein kulturelles Begegnungszentrum mit Galerien, Ateliers, Theaterbühne und einem Restaurant. Wobei: Die Auszeichnung legendär“ beansprucht eigentlich sein Vorgänger, die Bar 25. Seiner attraktiven Lage wegen fiel das Gelände am Ufer der Spree 2010 einem Investorenplan zum Opfer, vorerst jedenfalls. Bis dahin trugen die Gerüchte über das immer kurz bevorstehende Ende der Bar 25 wesentlich zu deren selbst kreiertem Hype bei.

Einige der Forumsteilnehmer sind extra angereist. Pflichtbewusst halten sie ihre Stifte bereit, die Erwartung steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Vor ihnen steht Wasser mit Fairtradesiegel. Aus der Küche des Kater Schmaus duftet es nach Mittagessen, zwei Mitarbeiter ruhen sich bei Cola aus. Schon dieser Kater Schmaus ist eine Erfolgsgeschichte für sich: Ein Restaurant der gehobenen Preisklasse, für das man unter Umständen wochenlang auf einen Tisch wartet, während zwei Stockwerke tiefer Nahrung nur in flüssiger Form verabreicht wird. „Alles für alle, bis alles alle ist“, so steht es auf einem Schild auf dem Weg zum Klo und so in etwa lautet die interne Philosophie.

Mario Husten, Geschäftsführer der Holzmarkt Genossenschaft, behält seine Ray Ban auf, obwohl die Sonne nicht scheint. Seit bekannt wurde, dass das Spreeufer der freien Wirtschaft überlassen werden soll, kämpft die Genossenschaft dagegen. Freie Wirtschaft, das kann Berlin nämlich nicht, Kultur und Party dagegen schon. Am Anfang, so Husten, habe keiner sie ernst genommen. Beim selbst gewählten Motto „Wir trinken oft und feiern gut“ ist das in Teilen nachvollziehbar. Aus dem Image der Rundumraver machten die Betreiber des KaterHolzig jedoch eine Tugend. Sie schlugen den Bürokratieapparat mit seinen eigenen Waffen, gründeten einen Verein namens „Mörchenpark e.V.“, entwickelten einen detaillierten Finanzierungsplan und bekamen schließlich den Zuschlag für das Gelände der ehemaligen Bar 25. Unter Auflagen: Wenn bestimmte Dinge nicht funktionieren, muss nach 30 Jahren alles in seinen Urzustand versetzt werden, wie Mario Husten schelmisch erzählt. Ihm mache diese Realsatire großen Spaß. Letztlich geht es um die Inszenierung von Politik, darum, sich performativ die Regelwerke und Paragrahenkataloge anzueignen – denn auch wenn in Berlin die Uhren anders laufen (im KaterHolzig zum Beispiel gar nicht), ist dies noch immer das Land der Überkorrektheit.

In den kommenden Jahren entsteht auf den Ruinen der seligen Bar besagter Mörchenpark, ein  300 000 Quadratmeter großes Areal mit Restaurant, Hotel, 24 Stunden-Kita für die Mitarbeiter, Studentenwohnungen, Bergwanderweg, Markthalle und Technoclub. Am 1. Mai war Spatenstich, was logischerweise in eine dreitägige Party mündete. Man habe, so Husten, viel gegessen und noch mehr getrunken, die Musik sei erwartungsgemäß erstklassig gewesen. Auf die Frage, wie viel Sterne das Hotel haben werde, antwortet der Geschäftsführer: „Von null bis 24. Wir passen uns den Bedürfnissen der Gäste an. Dem Raver reichen Bett und Dusche.“

Und wie das so ist im Politiktheater: Plötzlich verkehrt sich alles in sein Gegenteil. Eben noch spotteten Kultursenatoren und Boulevardmedien über die Technofritzen, die glauben, ein Millionenprojekt sabotieren zu können, heute reisen sie aus ganz Deutschland an, weil sie wissen wollen, wie öffentlicher Raum mit Einbezug seiner Bewohner funktioniert.

Klar, dass da Welten aufeinanderprallen. In den Medien, in der öffentlichen Diskussion und ganz real hier auf dem Dach des KaterHolzig. Unten rummst der Bass, oben macht sich die Delegation Notizen im Moleskinebuch. Einer der Teilnehmer fragt, ob er mal in den Club reinschauen könne, sichtbar hin-und hergerissen zwischen Ekel und Faszination. Eine peinliche Situation. Gastgeber Mario Husten reagiert diplomatisch: „Heute eher nicht. Aber komm doch am Montag wieder, da spielt Acid Pauli. Das wird geil.“

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Eva Biringer, geboren 1989 in Albstadt-Ebingen, studierte Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft in Berlin und Wien. Nach Hospitanzen bei der Zeit, dem Standard und der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung lebt sie in Berlin und schreibt unter anderem für Nachtkritik.

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