Live-Blog vom Publikumsgespräch zu „Der Kirschgarten“

Theatertreffen-Blogger Matt Cornish sagt, dass die Figuren inDer Kirschgarten die Zuschauer anstürmen. Heute Abend hat das Publikum auch Gelegenheit zu stürmen; zu fragen und zu diskutieren – beim Publikumsgespräch zu dieser Inszenierung. Ab circa 23.10 sind Regisseurin Karin Henkel, Dramaturgin Rita Thiele und das Ensemble aus Köln im Gespräch zu erleben. Dazu gibt es hier ein Live-Blog.

23:45 Es wird dem Publikum ermöglicht, noch bis maximal 24 Uhr weiter zu diskutieren, allerdings – wird hinzugefügt – wäre es wirklich schöner, die Schauspieler nach dem langen Tag jetzt schon zu entlassen. Da kommen keine Fragen mehr, das Publikumsgespräch ist beendet und während ich dies hier tippe, sind schon fast alle Zuschauer auf der Treppe nach unten – in die frische Luft hinaus, raus aus der anfänglich entschuldigten Hitze.

23:43 Laut der Uhr von Barbara Burckhardt sind jetzt exakt 45 Minuten erreicht.

23:42 Rita Thiele spricht weiter über die Ausstattung. Schade. Die Gedöns-Aussage war so knackig. Jetzt geht es um die Gefahr der Rampe, die Entscheidung, abstrakte und überhöhte Bilder zu suchen und keine konkreten Bilder zu haben. Die leere Bühne wird wieder beschworen. Charly Hübner hat zum Beispiel auf Grund von Türmangel einige harte Szenen, in denen er viel mitspielen muss, was nicht da ist. Das Ensemble bestätigt, dass es manchmal wirklich nicht ganz erfreulich war.

23:39 Rita Thiele kommt noch mal auf die Ausstattung und die damit vorgegebenen Spielmöglichkeiten. Sie freut sich, dass auf der ziemlich leeren Bühne „ kein Gedöns“ ist, rheinische Klänge beginnen durch das Obere Foyer zu schwingen.

23:37 Die Zuschauerin fragt weiter. Verweist auf ihre guten Tschechow-Kenntnisse, fragt nach dem Improvisationsanteil in den Proben und auch noch nach der Einstudierung der Tanzszenen. Die wurden von den Schauspielern Jean Chaize und Brigitte Cuvelier, die auch Tänzer sind, einstudiert. Knappe Antwort auf eine lange Frage!

23:36 Eine Zuschauerin fragt nach der Drehscheibe in der Mitte der Bühne, die von Karin Henkel als Spieluhr beschrieben wird. Diese war früh im Probenprozess vorhanden, auf die sich die Figuren zum Träumen zurückziehen. Oft auch „ Traumscheibe“ genannt.

23:34 Realistische Requisiten gab es mal auf der Bühne – einen Schrank. Das hätte Stanislawski gefallen! Aber das hat sich nicht bewährt. Der Schrank flog raus. Man hat den Eindruck, es hätte nur Erde und Plafond gegeben. Die Stühle und der große Tisch bleiben unerwähnt.

23:33 Die Frage an die Schauspieler lautet, ob sie in der Schauspielschule Stanislawski gemacht haben. Barbara Burckhardt möchte diese Frage an Lena Schwarz, die Hauptdarstellerin des Abends, gerichtet wissen. Sie war in München und hat das da nicht gelernt. Vielleicht kann sie deshalb – Rita Thiele folgend – als Mensch von heute keine Menschen von vor hundert Jahren zeigen…?!

23:32 Andres Müry kommt darauf zu sprechen, dass Jutta Lampe, die bei Peter Stein die Ranjewskaja gespielt hat, heute auch da war. Jetzt geht es um die Uraufführung von Stanislawski! Ha! Früher oder später kommt man immer bei ihm aus.

23:30 Eine Zuschauerin war überrascht von den „ coolen“ Reaktionen in Berlin, die ein richtiges Einsteigen in die Emotionen nicht ermöglichten. Im zweiten Teil ist dann aber „ die Verrücktheit eskaliert“ und da wurde es besser…

23:28 Lina Beckmann sagt, dass sie ganz anders reagieren. In Köln wären die Leute ausgelassener, in Berlin zurückhaltender. Trotzdem haben sie hier im Kirschgarten „Buh-Rufe“ gehört, in der Vorstellung „Heute Morgen. – – – Äh, heute Morgen um vier.“ (die Vorstellung fand um 16:00 Uhr statt). Es gibt viele Lacher, über Berliner, über Kölner, über „Heute Morgen um vier.“

23:26 Ein Zuschauer lobt, dass die Schauspieler heute zwei Vorstellungen gegeben haben. Er ist beeindruckt von der Leistung. Andere Zuschauer klatschen. Dann fragt er Lina Beckmann nach den Unterschieden zwischen Kölner Stadttheater-Publikum und Berliner Festspiel-Publikum.

23:25 Die Schauspieler können uns keine Figuren von vor hundert Jahren zeigen, weil sie Menschen von heute sind, meint Rita Thiele. Ich glaube, Stanislawski würde spätestens hier in die Diskussion eingreifen… komisches Argument.

23:24 Karin Henkel antwortet, dass alle Figuren mal alles machen! Wie im echten Leben, wo man auch mal dezent und mal laut ist. Rita Thiele findet, dass auch die Kostüme das widerspiegeln. Von der Jogginghose bis zum Reifrock ist immerhin ziemlich viel dabei. Sie kommt auf das Thema „Wiedergänger“ – ein weites Feld.

23:21 Das Gespräch ist jetzt für das Publikum offen. Ein erster Zuschauer lobt die Nutzung des eisernen Vorhangs, eine Zuschauerin fragt, warum es so unterschiedliche Spielweisen („Gesten von heute, aber auch sehr theatrale Sachen.“) gibt?

23:20 Antwort: Die Decke ist kein positives Schlussbild. Sie engt ein, sie lässt offen, was aus Lopachin (Charly Hübner) wird und hinterlässt Fragen.

23:19 Weiter im Sauseschritt – wir sind schon beim Bühnenbild. Kathrin Frosch hat sich zusammen mit dem Team bewusst für eine relativ leere Bühne entschieden, ohne Kirschbäume, ohne Landgut, ohne Haus und Wände. Was will uns aber die Blumenleuchtdecke, die am Ende von oben schräg ins Bühnenbild ragt, sagen?

23:17 In Köln gibt es bei allen Abriss-Anspielungen immer Lacher wegen dieses Zusammenhangs. Charly Hübner versteht es wie die Berliner auch jetzt erst.

23:16 Rita Thiele wird zum Zusammenhang des Bau-Themas in „Das Werk / Im Bus/ Ein Sturz“ und dem Abriss-Themas im „Kirschgarten“ gefragt. Sie referiert kurz die Publikumsdiskussion zu ersterer Inszenierung und sagt, dass die Kirschgarten-Inszenierung ganz bewusst in Bezug auf den Abriss des Schauspiel Kölns gewählt wurde.

23:15 Die Humor-Frage ist schnell geklärt. Über Musik und Balkananklänge wurde auch schneller gesprochen, als ich auf aktualisieren klicken kann. Wir sind schon bei der Wahl der Übersetzung. Barbara Burckhardt hat dem Ensemble nach zwei Aufführungen versprochen, dass es nicht länger als 45 Minuten dauert. Das scheint sie jetzt noch unterbieten zu wollen.

23:14 Karin Henkel sucht eine gewisse Zuspitzung der Charaktere, ein Tempo in der Inszenierung, das dem tatsächlichen Stillstand entgegengesetzt werden kann, dem die Figuren nicht in die Augen sehen wollen. Auch Humor ist gewollt.

23:12 Die Schauspielerin, die Regisseurin Karin Henkel, die Dramaturgin Rita Thiele und Austatterin Kathrin Frosch werden vorgestellt.

23:11 Die Inszenierung von Karin Henkel hat – laut Müry – mehr Spielfreude als die Inszenierung von Zadek. Lena Schwarz und Charly Hübner haben bei ihm den Eindruck von Sepp Bierbichler und Angela Winkler überlagert. Lachen im Publikum.

23:10 Andres Müry, Juror der Theatertreffen-Jury, war vor 15 Jahren schon Juror für die Kirschgarten-Inszenierung von Peter Zadek, die auch beim Theatertreffen war.

23:08 Die Decke im Festspielhaus ist auch ein Überbleibsel der Bauarbeiten und keine Installation von Ausstatterin Kathrin Frosch, die auch die Bühne für diesen Abend gestaltet hat. Iris Laufenberg übergibt nun das Mikro an Barbara Burckhardt, die Moderatorin des Abends.

23:06 Iris Laufenberg findet es bei der Ansprache ans Publikum imponierend, wie viele Leute hinter ihr sitzen. Sie spricht die Hitze im Zuschauerraum an (gefühlte 37°C!) und erklärt, dass auf Grund von Bauarbeiten kühle Luft im Saal noch nicht möglich ist.

23:04 Die Schauspieler betreten das Podium, es kann so langsam losgehen.

23:02 Das ganze Ensemble von Der Kirschgarten“ sitzt im Oberen Foyer und wartet, dass die Zuschauer auch kommen. Ein paar sind aber schon da.


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1986 geboren im tiefsten Rheinland, ging der Weg über das Theater Aachen zum Studium der Theaterwissenschaft und Vergleichenden Literatur nach Mainz. Zwischenstationen in Salzburg, bei NEUE STÜCKE AUS EUROPA in Wiesbaden und in Groningen (NL). Im Moment Praktikantin des Theatertreffen-Blogs und zeitweilig auch Blogautorin.

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