Sie sind radikal aufs Wesentliche reduziert, die Räume, die der Bühnenbildner Johannes Schütz entwirft. Ein Gespräch über hartgekochte Eier, glückliche Arbeitsverhältnisse und die Zusammenarbeit mit Roland Schimmelpfennig.
Kai Krösche: Herr Schütz, machen Sie „abstrakte“ Bühnenbilder?
Johannes Schütz: Das ist ein Beschreibungsversuch, den ich oft höre und noch öfter lese – aber ich finde meine Bühnenbilder alle sehr konkret, ich weiß gar nicht, was das ist, ein abstraktes Bühnenbild. Ich halte es für ein Missverständnis, wenn man glaubt, eine Bühne müsse vollgerumpelt sein und sich alle fünf Minuten oder alle halbe Stunde verändern – und wenn das nicht so ist, dass das dann sofort abstrakt sei. Ein leerer Tisch, auf dem nichts weiter liegt als ein hartgekochtes Ei ist ja auch erst einmal ein Stillleben und nicht gleich eine abstrakte oder informelle Äußerung. Oder eine Tischtennisplatte, auf der ein Tischtennisball liegt: Da besteht ja ein durchaus konkreter Zusammenhang zwischen Objekt und Unterlage.
Eine vernünftige Bühne ist a priori leer, weil sie erst mit dem gefüllt wird, was auf ihr stattfindet. Und je leerer sie ist, desto besser kann man sich auf das konzentrieren, was die Darsteller auf ihr machen. Anstelle dieser Suchbilder und Gerümpel-Assemblagen sollte man auf die Bühne beziehungsweise in eine theatrale Versuchsanordnung nur das stellen, was man wirklich braucht.
KK: Wie sieht für Sie die ideale Zusammenarbeit zwischen Bühnenbildner und Regisseur aus?
JS: Wie bei allen anderen Kommunikationen im sozialen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bereich existiert dafür kein Regelwerk – es gibt Arbeitsverhältnisse, die auf ganz langen, ausführlichen, ständigen Kommunikationsstrukturen basieren und es gibt Arbeitsverhältnisse – die auch sehr glücklich sind –, wo wiederum ganz wenig gesprochen wird, wo man sich nur zwei, drei Mal austauscht. Weder das eine noch das andere ist aber eine Garantie dafür, dass die Zusammenarbeit funktioniert – das hängt nämlich vor allem davon ab, ob man sich gegenseitig die richtigen Fragen stellt und sich lang genug gegenseitig bei der Arbeit zuguckt, um zu wissen, was der andere meint, wenn er von seinen Ideen spricht. Das wiederum kann auch in ganz neuen Arbeitszusammenhängen stattfinden, das ist letztlich eine Frage der Intelligenz und der Sinnlichkeit des Umgangs miteinander. Da findet ja ein Tausch statt.
KK: Man liest häufig, Schimmelpfennigs Inszenierung von „Der goldene Drache“ erinnere an die Inszenierungen von Jürgen Gosch. Wie denken Sie darüber?
JS: Ich halte diese Einschätzung für ein bisschen laienhaft: Durch seine vielen Inszenierungen von Schimmelpfennig-Stücken hat Gosch sicherlich das Rezeptionsbild dieser Theaterstücke mitgeprägt, aber deswegen sind ja nicht automatisch auch alle Schimmelpfennig-Inszenierungen von Jürgen Gosch beeinflusst. Gosch hat einfach diese Stücke sehr genau inszeniert, was in seinen Inszenierungen vorkam, steht ja in den Stücken drin, man muss diese nur genau genug lesen. Natürlich ist Gosch dabei sehr weit gegangen, hat er diese Partituren auch im dynamischen Sinne radikalisiert. Aber da ist trotzdem noch viel Platz für andere Regisseure, sich zu betätigen.
KK: Werden Sie in naher Zukunft wieder mit Roland Schimmelpfennig zusammenarbeiten?
JS: Geplant ist jetzt erst einmal die Aufführung eines neuen Schimmelpfennig-Stückes am Akademietheater. Die Uraufführung ist in Kanada, dann wird es im Thalia Theater gespielt und am Deutschen Theater, bei unserer Produktion ist es dann das vierte Mal, dass das Stück inszeniert wird – alle haben also Zeit, es sich vorher anzugucken!