Am letzten Wochenende des Theatertreffens standen die Diskussionen und Vorträge ganz im Zeichen der verbindenden Linien zwischen Bildender Kunst und Theater. Andrea Berger und Marlene Knobloch haben die Veranstaltungen für uns besucht.
Der Podiumsboden war fruchtbar, noch bevor einer der vier Redner die Bühne betrat. Das lag zum einen an der hochkarätigen Besetzung, zum anderen an der Unterschiedlichkeit der eingeladenen Regisseure. Aber die Diskussion schaffte noch mehr: Sie inszenierte sich selbst als ein kleines Theaterstück, in dem sich Form und Inhalt kollegial die Hand reichten. Ein Diskurstheaterstück vielleicht. Spannend, empörend, witzig, dramaturgisch gut gearbeitet.
Unterschiedlicher hätten die drei Diskutanten und ihr Verständnis von Schauspielkunst wohl nicht sein können: Links Herbert Fritsch, der „geniale Dilettant“ und Meister der Selbstinszenierungsstrategie „sympathischer Depp“. Daneben Ersan Mondtag, der sich redlich darum bemühte, die Balance zwischen arrogantem Provokateur und ehrfürchtigem Theaterlehrling zu finden, wobei er von Satz zu Satz volle Fahrt voraus gefährlich gegen eines der Ufer schwappte. Ganz rechts Daniela Löffner, die tapfer und (Achtung: hochumstrittenes Wort) „authentisch“ die Rolle der Idealistin und Verteidigerin der klassischen Schauspielkunst spielte. Dazwischen Christine Wahl, die die Monologe der Akteure mit kluger Präzision übertitelte, wie etwa „klassisches Verkörperungstheater“ (zu Löffner) oder „Überaffirmation des Künstlichen“ (zu Fritsch), und somit geschickt einen roten Faden durch die Debatte spann, an dem die zentralen Punkte des Nachmittags hängen blieben.
Und man kann nicht sagen, es wäre nichts hängen geblieben: Steile Thesen flogen durchs Camp. Ersan Mondtag (hier in der Rolle des Theaterlehrlings) betonte die Einzigartigkeit seiner Schauspielerin Kate Strong, und dass er für „Tyrannis“ (Provokateur) niemals mit „irgendeiner Stadttheaterschauspielerin“ arbeiten könne (später legte er mit dem herrlichen Begriff „Beamtenschauspieler“ ein bisschen nach). Fritsch tat das, was er am besten kann: Lustigen Unfug. („Ich bin der Idiot des Stücks. Und das mobilisiert die Leute um mich herum.“) Und Daniela Löffner kämpfte zwischen diesen professionellen Selbstinszenierern um die Sache, den Kern, den klassischen Schauspielbegriff.
Den Anschluss an den tiefgreifenden Impulsvortrag von Doris Kolesch schaffte die Debatte vielleicht nicht, aber es gelang ihr doch, ein unterhaltsames, klares und differenziertes Gespräch über Schauspielkunst zu führen. (Marlene Knobloch)
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Im zweiten Themenschwerpunkt des Theatertreffens, „Focus Skulptur / Performance / Schauspiel“, standen ästhetische Fragen im Vordergrund, genauer: die Verbindungslinien zwischen Bildender Kunst und Theater. Welche Impulse gehen von der Bildenden Kunst aus und wie verändern sie das Spiel und die Stellung der Schauspieler*innen? Bereits die erste Diskussion „Figur und Skulptur“ erlaubte hier spannende Einblicke bzw. ein gemeinsames Nachdenken auf Augenhöhe über Isa Genzkens Werk und die Rolle des Raumes als Akteur. Angenehm unangestrengt und offen verlief dieses Gespräch, ebenso wie am nächsten Tag die Diskussion von Herbert Fritsch, Daniela Löffner und Ersan Mondtag über ihre Arbeit mit Schauspieler*innen. Im Anschluss stellte Dorothea von Hantelmann Überlegungen über Partizipation und Immersion im Theater an. Vor allem ihre Ausführungen zum Glauben an die Kraft der Trennung, die sie als symptomatisch für die Museumsgeschichte und auch die Kulturgeschichte erkannte (zum Beispiel im Trend zur One-to-One-Rezeption in Museen), gaben zu denken und boten auch Stoff für die große anschließende Diskussion „Andere Räume: Partizipation und Immersion im zeitgenössischen Theater“.
Spannend und höchst anregend war dieser zweite Themenschwerpunkt „Focus Skulptur / Performance / Schauspiel“, der mit dem Gastspiel von Susanne Kennedys Produktion „Hideous (Wo)men“ abgerundet wurde. Er war es, weil Arbeitsweisen und künstlerische Visionen im Mittelpunkt der Betrachtungen standen. Weil sachlich debattiert wurde. Weil es um einen konstruktiven Austausch ging und nicht um ein reines Verteidigen von Standpunkten. Der Schwerpunkt „Focus Skulptur / Performance / Schauspiel“ schaffte es, am Ende des Theatertreffens die Aufmerksamkeit auf drei Dinge zu lenken: 1. Die theoretische Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen im Theaterbereich kann höchst unterhaltsam, anregend und erhellend sein. 2. Die Beschäftigung mit den eingeladenen Künstler*innen und ihren Arbeitsweisen kommt im Rummel eines Festivals oft etwas zu kurz, ist aber unendlich wertvoll. 3. Nicht jede Diskussion muss (tages-)politisch sein, um aktuell und hochspannend zu sein. Ein toller Abschluss des Diskursprogramms des diesjährigen Theatertreffens, der auf eine Fortsetzung im nächsten Jahr (nur mit anderem Text und ähnlicher Melodie) hoffen lässt. (Andrea Berger)
Focus Skulptur / Performance / Schauspiel
20. 05.
Figur und Skulptur
Gespräch mit Daniel Buchholz, Diedrich Diederichsen, Susanne Kennedy und Thomas Oberender. Moderation: Tobi Müller
21. 05.
Impulsvortrag I von Doris Kolesch
Wovon wir sprechen, wenn wir vom Schauspielen sprechen
Diskussionsrunde mit den Regisseur*innen Herbert Fritsch, Ersan Mondtag und Daniela Löffner; Moderation: Christine Wahl
Impulsvortrag II von Dorothea von Hantelmann
Andere Räume: Partizipation und Immersion im zeitgenössischen Theater
Diskussionrunde mit Kathrin Bombe, Johanna Freiburg, Dominic Huber und Martin Seitl; Moderation: Barbara Gronau