Ihr Tag mit dem TT (8)

Den heutigen Tag können Sie zur Hälfte, nämlich bis zu zwölf Stunden lang, mit Vegard Vinge und seinen Lieben bei „John Gabriel Borkmann“ (bereits als „9/11 des Theaters“ bezeichnet) ab 16 Uhr im Prater der Volksbühne verbringen.
Alternativ können Sie aber auch der Zerstörung Berlins beiwohnen: Die dritte Szenische Lesung des Stückemarkts präsentiert Ihnen „Jonas Jagow“ von Michel Decar ab 19.30 Uhr im Haus der Berliner Festspiele.
 

"Jonas Jagow" Autor Michel Decar. Foto: © Hans Goedecke


Mieke Matzke, Jurorin des Stückemarkts, sagt zu diesem schwer-beschreibbaren Stück: „In zeitlichen und räumlichen Sprüngen, schnellen Schnitten und vielfachen Zitaten entspinnt sich in diesem Stationen-Drama eine atmosphärische Zustandsbeschreibung der Stadt, die über Berlin hinausweist und nach unserem Blick auf eine Wirklichkeit fragt, die sich uns permanent zu entziehen scheint. Wie zu dem Chaos, das uns umgibt, eine Haltung bekommen? Wohin mit der Wut auf diese Gesellschaft? Zwischen Vergangenheit und Zukunft, mit Komik und Radikalität, wird jede klare Form aufgelöst. Dabei entfaltet der Text einen Sog, der schwindelig werden lässt, manchmal nervt, ratlos zurücklässt, den Atem nimmt, aber vor allem viel Spaß macht.“
Im Anschluss, ab 21 Uhr, besteht die Möglichkeit, der Zerstörung politischer Systeme, Utopien und biologischer Körper beizuwohnen: „Ciała obce – Fremde Körper“ von Julia Holewińska in der vierten Szenischen Lesung des Stückemarkts.

"Fremde Körper" Autorin Julia Holewińska. Foto: © Tomasz Szerszen


Juror Stefan Bachmann findet: „Julia Holewinska hat ein episches, großes Stück geschrieben, das fesselt und berührt. Ein Stück über die Geschichte ihres Landes, eine Allegorie des Wandels und eine sehr individuelle Geschichte über einen transsexuellen Menschen, der immer ein Fremder bleibt.“
Ab 22.15 Uhr können Sie im Autorengespräch Michel Decar und Julia Holewińska selbst Fragen stellen. Oder einfach lauschen.
Lauschen können Sie auch ab 23 Uhr beim Stückemarkt Hörtheater: „Alles Gold was glänzt“ von Mario Salazar, indem es auf ganz eigene Art um politische Systeme, deren Verteidigung, Abschaffung und Aneignung geht. Seit 2007 wählt Deutschlandradio Kultur beim Stückemarkt einen der Texte aus, um ihn als Hörspiel zu produzieren. „Alles Gold was glänzt“ wurde 2011 ausgewählt und wird heute erstmalig öffentlich präsentiert.

"Alles Gold was glänzt" Autor Mario Salazar. Foto: © H.U. Bauer


„Alles Gold was glänzt“ endet um Mitternacht, wenn auch Ihr Tag mit dem TT endet!

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Adrian Anton, 1978 in Bad Hersfeld geboren, lebt und arbeitet in Hamburg als „freier" Kulturwissenschaftler. In der Praxis bedeutet das vor allem Individualisierung, Flexibilität und Mobilität im (Bildungs-)Prekariat als Ergebnis eines Studiums mit Magister-Abschluss in Volkskunde/Kulturanthropologie, Anglistik und Museumsmanagement. Seine Berufserfahrungen reichen von Bestattungen über PR und Tagungsorganisation bis zu Museumspädagogik. Derzeit forscht und schreibt er unter anderem zum „armen Tod". Bei all dem „work in transit" bilden Theaterbegeisterung und der Wille zu schreiben Konstanten, etwa das seit 2009 aktive Blog „FLÜSTERN + SCHREIE".

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