Hätten Kelly Copper und Pavol Liska unbegrenzte finanzielle Mittel zur Realisierung ihrer Kunst, würde es die Werke ihrer Gruppe „Nature Theater of Oklahoma“ nicht geben. Denn ihre Inspiration und Kreativität beziehen die New Yorker Künstler gerade aus den schwierigen Bedingungen, unter denen sie produzieren müssen.
Auch wenn sie nun mit ihrer Inszenierung „Life and Times – Episode 1“ am vergleichsweise gut subventionierten Wiener Burgtheater angekommen sind und zu zahlreichen Festivals in Europa eingeladen werden – ihre Ästhetik bleibt geprägt von den Hürden und Einschränkungen, die sie in den USA überwinden mussten. „In Amerika gibt es so gut wie keine staatlichen Gelder für Kunst. Wir bekommen hier keinerlei finanzielle Förderung“, erklärt Pavol Liska. „Und unter diesen Bedingungen als Künstler zu arbeiten, zwingt dich wirklich, darüber nachzudenken, was du tun willst und warum. Sonst wäre es einfach nur blöd, weiterzumachen.“
Die Bedingungen, unter denen Nature Theater of Oklahoma arbeiten, finden sich direkt in der Inszenierung wieder. Geprobt wurde zum großen Teil nicht in Wien, sondern in New York – oft in Liskas und Coppers winzigem Ein-Zimmer-Apartment. Und weil dort eben nicht viel Platz ist für ausladende Gesten und Choreographien, sind auch die Bewegungen der Schauspieler auf der Bühne eingeschränkt.
Statt nun aber zu jammern, nehmen die Künstler ihre Situation als produktiven Impuls: „Das ist wie ein Höhentraining für Sportler“, sagt Pavol Liska, „unter erschwerten Bedingungen entstehen bessere und unerwartete Dinge. Mit totaler Freiheit könnte ich gar nicht arbeiten.“
Trotzdem ist es nicht so, als würden sich Nature Theater of Oklahoma nicht über Gagen für ihre Arbeit freuen – wie sehr, kann man in einem Video auf ihrer Website sehen, das zeigt, was passiert, nachdem sie für ihre Arbeit „No dice“ (2007) zum ersten Mal überhaupt Geld bekommen haben. Gleichzeitig thematisiert es das Verhältnis zwischen Kunst und Lohn. Für insgesamt 115 Stunden Probenarbeit bekam jeder Künstler 224,10 Dollar, was einem Stundenlohn von 1,95 Dollar entspricht.
Das Publikum wird zum Mitdenken aufgefordert
Auch vom Zuschauer verlangen Nature Theater of Oklahoma ein paar Anstrengungen. Dreieinhalb Stunden dauert „Life and Times – Episode 1“, und in diesen dreieinhalb Stunden passiert nicht viel – zumindest nicht, wenn man nur die Bühnenhandlung betrachtet. Schauspieler tanzen eine Choreographie, die an Gymnastikstunden und sozialistische Spartakiaden erinnert und singen dazu ein Libretto, das die ersten sechs Lebensjahre der Amerikanerin Kristin Worrall (die als Querflötistin mit auf der Bühne steht) erzählt. Es ist eine banale, alltägliche Kindheit aus dem Amerika der siebziger Jahre, die Worrall in einem 16-stündigen Telefonat erzählt hat und die nahezu unbearbeitet mit allen Stotterern, Pausen, Ähms und Ähs als Text präsentiert wird.
Ähnlich wie Marcel Duchamps mit seinen „Ready-mades“ geht es Kelly Copper und Pavol Liska um die Herausforderung, Kunst aus Nicht-Kunst, aus dem Alltäglichen zu machen. Und damit das funktioniert, müssen „die Zuschauer sich selbst in die Geschichte projizieren“, sagt Liska. „Es liegt in ihrer Verantwortung, sich nicht zu langweilen, etwas zur Performance beizusteuern, ich sehe das nicht als alleinige Aufgabe des Künstlers.“
Die dreieinhalb Stunden, in denen in „Life and Times“ die ersten sechs Jahre von Kristin Worralls Leben dargestellt werden, sind nur der erste Teil eines großen Ganzen, für das zehn Folgen geplant sind. 24 Stunden wird es in etwa dauern, bis die gesammelten Erinnerungen auf der Bühne erzählt sind.
Probenimpressionen zu „Life and Times – Episode 1″:
[media id=5 width=430 height=310]