Auch das gehört zu einem Fest: Dass man sich hübsch macht, dem Anlass entsprechend herrichtet. Aus diesem Grund spendiert die Theatertreffen-Leitung dem Haus der Berliner Festspiele in der Schaperstraße jedes Jahr im Mai ein feierliches Outfit. „Rauminstallation“ nennt man das hier vornehm, wie man auch gerne „Festspielhaus“ sagt, weil das ein bisschen nach Bayreuth oder Salzburg klingt, nach Grünem Hügel, Smoking und Fanfaren. Dabei ist der fantastische Sechzigerjahre-Bau des großen Architekten mit dem kleinen Berliner Namen Fritz Bornemann nun wirklich alles andere als prunkvoll. Seine hohen Glasfassaden und jahrgangscognacfarbenen Holzvertäfelungen sorgen eher dafür, dass er sich klein und durchlässig macht für die Kunst und jene, die sie besichtigen kommen. Und weil dieses Haus selbst so ganz und gar ohne Schnörkel und Flitter daherkommt, lässt es sich wiederum bestens einkleiden, bemalen, bekleben und beleuchten.
Immer wieder durfte in den vergangenen Jahren trefflich darüber spekuliert werden, ob diese Fassaden-, Vorplatz- und Vorderhausgestaltung mit dem Programm auf der Bühne wohl bewusst korrespondieren sollte. Noch recht deutlich erinnere ich mich an den 2010er-Jahrgang, als der Fußboden der Kassenhalle mit Kieselsteinen ausgeschüttet war und das Publikum sich auf hölzernen Stegen drückte und drängte. An der Fassade hatte man indes die Fotografie einer Wolfs- oder Hundemaske aus irgendeiner der geladenen Inszenierungen angebracht und sie neongrün-kotzorange überpinselt. Das Ganze war von einer derart schillernden Hässlichkeit, dass man glauben wollte, das Theatertreffen habe den Wirt einer Friedrichshainer Punk-Kneipe gebeten, den fiesesten Sticker von den Toilettenwänden als Vorlage einzureichen. Immerhin: Mit Karin Beiers Kölner Inszenierung „Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen“ war wenigstens eine Produktion am Start, die diese Ästhetik im Namen (und auf der Bühne) fortsetzte.
Höchstpathetische Symbolpolitik
Sehr anders hatte es im Jahr zuvor ausgesehen, als man über dunkelrote Brücken und im milden Licht etlicher güldener Lampions zu den Theaterwunderverheißungen der todkranken Christoph Schlingensief und Jürgen Gosch lief. Oder zur Fünfzigjahrfeier des Theatertreffens im Jahr 2013, als die Besucherinnen und Besucher eine originalgroße BVG-Bushaltestelle vor dem Haus vorfanden, die sich erst beim näheren Hinsehen als Kunstinstallation entpuppte: Hier ist seit fünfzig Jahren ein Fix- und Haltepunkt, schien man sagen zu wollen. Im Theaterjahr und im Kulturkalender überhaupt. Am eindrücklichsten aber erinnere ich die Gestaltung (beziehungsweise Nicht-Gestaltung) im Vorjahr, dem Theatertreffen der großen Sinnfragen und Schambekenntnisse. Die Geflüchteten standen damals nicht nur auf der Bühne, sondern man hatte ihrem Anliegen das ganze Haus gewidmet und das Foyer mit den Ständen von Hilfsorganisationen beinahe zugestellt. In einem Akt höchstpathetischer Symbolpolitik war schließlich sogar ein silbriges, offenbar eigens angebrachtes „Bühne“-Schild am Saaleingang mit einer roten „Refugees Welcome“-Flagge verhängt worden – eine Selbstgeißelungsmaßnahme, die man wenige Tage später stillschweigend rückgängig machte.
Und heute? Man muss genauer hinschauen, denn es herrscht kühler Strukturalismus. Ein Netz weißer und roter, scharfkantiger Linien zieht sich über den Boden im Erdgeschoss und vor dem Haus. An der Fassade ist eine gleichfalls blütenweiße Röhreninstallation montiert worden, die bei Dunkelheit das Wort „Theatertreffen“ wie auf dem Display eines 80er-Jahre-Radioweckers aufleuchten lässt. Im ersten Stock baumeln lose Industrieglühlampen von der Decke. Man kennt sie zur Zeit aus jeder Weddinger WG-Küche, die Omas geblümte Kochtöpfe aus Adenauer-Tagen durch ein bisschen Bauhaus-Funktionalität unterlaufen möchte. Alles ist streng, klar und kalt. Soll hier eine neue Konzentration, Sachlichkeit und Geistesruhe ausgestrahlt werden? Eine wohlsortierte Kompaktheit nach der oft überfrachtet wirkenden Ausgabe vom Vorjahr? Die ersten Premieren des 53. Berliner Theatertreffens lassen in diese Richtung mutmaßen. Doch alle wissen auch: Ein gelungenes Fest hinterlässt das Haus am Ende niemals so aufgeräumt wie zu Beginn.