Die TeilnehmerInnen des Internationalen Forums begegneten sich in den letzten zwei Wochen in vier Workshops, unter anderem bei Chris Kondek und Hans-Werner Kroesinger. Am 23. Mai wurden in den Uferstudios im Wedding und der nächsten Umgebung einige Arbeitsergebnisse präsentiert.
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Uwe Gössel begrüßt mich: „Ah, der Blog ist auch da!“ Dann hebt er die Glocke, die er in der Hand hält, und läutet zur ersten Runde.
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Wir betreten eine dunkle Halle mit Tanzboden. Gleich am Eingang ist Teppich ausgelegt. „Bitte Schuhe ausziehen“, ruft uns eine junge dunkelhaarige Frau zu, um gleich darauf auf Türkisch mit Övül Avkiran noch etwas zu besprechen. „Wir werden jetzt eine kleine Feldenkrais-Übung machen!“ 50 Menschen strecken sich auf dem Tanzboden aus und schließen ihre Augen. „Fühlt eure Wirbelsäule, fühlt die Verbindung zum Boden.“ Türkisches Murmeln. Dann wieder auf Deutsch: „Drückt nun eure Hüfte auf den Boden, streckt euren Bauchnabel in Richtung Decke, aber ohne den Boden zu verlassen. Verfolgt eure Wirbelsäule, was wird für die Bewegung aktiviert?“
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Mit Tee und Kaffee in Plastikbechern sitzen Menschengrüppchen auf Bierbänken verteilt. Es ist windig, aber warm, die meisten haben ihre Jacken ausgezogen und neben sich gelegt. Ruud Gielens zieht einen Handkarren mit einer einzelnen Holzpalette vorbei. Er verschwindet hinter einer Backsteinmauer.
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U-Bahn-Station Pankstraße. Die 50 Leute stehen neugierig vor einer geschlossenen Bank. Sie schauen sich um. Plötzlich ein Kreischen, mit einem Affenzahn rast eine junge Frau in bunter Tunika auf die Gruppe zu. Sie kommt an einem Geländer zum Stehen und setzt sich drauf. Wie eine Meerjungfrau posiert sie dort, ab und zu stößt sie Seehund-Schreie aus. Eine Frau im roten Glitzer-Ballkleid, ausgestattet mit Basecap und Sonnenbrille, überquert die Pankstraße an einer Ampel. Sie streckt die Arme nach vorn, als wäre sie blind. Drei Jugendliche, die auf einer Mauer sitzen, grinsen sich peinlich berührt an. „Theater oder was?“, fragt ein Mädchen mit weißen Strähnchen im Haar.
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Eine Frau im gelben Regenmantel spannt rot-weißes Absperrband zwischen zwei Stühlen, die auf dem Mittelstreifen der Pankstraße stehen. Sie rennt auf die andere Straßenseite und holt einen türkischen Mann aus einem Café. Er bekommt einen Tennisschläger in die Hand gedrückt und darf sich auf einen der Stühle setzen. Die Frau wickelt mehr Absperrband um einen Baum und überquert damit die Straße. Die linke Spur der Pankstraße ist nun gesperrt, Autos halten vor dem Absperrband. Währenddessen sperrt die Frau im Regenmantel auch die andere Fahrbahn ab. Dann wirft sie den Regenmantel von ihren Schultern und steht nun im flotten Tennisdress da. Die zwei Gruppen, die jeweils auf einer Straßenseite in einer Reihe plaziert sind, jubeln. Die Autos fangen an zu hupen.
Ein Glatzkopf mit Matrosenmütze watet in Gummistiefeln durch das kleine Flüsschen. In seiner Hand hält er einen Strauß Rosen. Er stellt sich auf die feuchte Holzpalette in der Mitte des Flusses. Ein Mann in weißem Kapuzenpulli beobachtet ihn. Dann beginnt der Glatzkopf, ein wehmütiges Lied zu singen. Die 50 Leute, die über ihm auf einer Brücke stehen, beobachten lächelnd, wie er eine Rose nach der anderen in den Fluß fallen lässt. „Ist der mit der Kapuze auch inszeniert?“ fragt mich eine Frau.
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Hans-Werner Kroesinger stellt sich vor Gruppe Zwei und deutet auf die Hauswand. „In den nächsten 20 Minuten einfach mal nur in diese Richtung schauen! Da gibt es viel zu sehen.“ Wer sich nicht zur Wand dreht, der sieht die Zweiergrüppchen, die sich im Hof gegenüber postieren. Jeweils ein Zuschauer und eine Performerin nehmen dort Platz und besprechen offensichtlich etwas.
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„Bitte hier hinein“, weist eine Schauspielerin an. Die Kleingruppe mit den grünen Kärtchen in der Hand zwängt sich in die ausgepolsterte Abstellkammer, in der Wasserkästen gestapelt sind. Es ist eng und stickig. Die Tür wird zugeschoben. Licht kommt nur durch ein kleines Fenster hinein. Die Frau klebt von außen Zettel an das Fenster, man kann sie nur lesen, wenn man nahe dran steht. Irgendwas mit Armenien und dem Islam.
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„Schwarze Milch der Frühe“, liest eine der Frauen und zitiert das berühmte Gedicht von Paul Celan „Die Todesfuge“. Sie sitzt am Konferenztisch . „Der Tod ist ein Meister aus-„, fährt eine andere fort. Dann etwas über die Völkermorde in Ruanda. Um sie herum stehen die Zuschauer. „Tongue Twister“, brüllt plötzlich jemand vom Tisch. Die Performer heben den Kopf: „Genocide Genocide Genocide Cheese Sandwich Cheese Sandwich Cheese Sandwich.“ Dann ist Stille.
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Chris Kondek winkt die Zuschauer in den dunklen Raum hinein. An einer der schmalen Rückwände ist die Projektion eines Ein-Euro-Stücks zu sehen. Auf mehreren MacBooks, die mit den Bildschirmen nach innen im Kreis auf einem Tisch angerichtet sind, sieht man weitere Geldstücke und -scheine, die bizarr verändert sind. An einem Eurostück kleben kleine Metallstäbchen, als wäre es von einem Pilz überwachsen, ein kopierter Geldschein wird auf einem Teller in gelber Glibbermasse auseinander genommen.
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In flackernder Schwarzweiß-Optik sieht man, aus einem höher gelegenen Fenster heraus gefilmt, die Teilnehmer des Workshops. Sie laufen durcheinander, spielen eine Szene aus einem uralten Science-Fiction-Film nach. Langsam formiert sich ihr Chaos zu einer Form, einem Kreis. „Wir hatten immer das Gefühl, dass der Film uns etwas sagen will“, sagt jemand in ein Mikrophon. In dem Menschenkreis erscheint ein weiteres Eurostück. „Jetzt haben wir es herausgefunden.“
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Das Eurostück fliegt über Landschaften, immer näher auf die Erde zu. Erste Ortschaftsnamen sind zu lesen. Der Euro from outer space fliegt immer näher auf die Erde zu, bis er schließlich im Workshopraum in den Uferstudios ankommt. Hier kreist er über den Zuschauern, einige zucken verängstigt zusammen oder reißen erschreckt die Augen auf, wenn er ihnen zu nahe kommt.
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Die Gruppe kommt wieder da an, wo sie gestartet ist, diesmal dürfen die Schuhe aber anbehalten werden. Wir setzen uns auf den Tanzboden. Vor uns laufen die Teilnehmer des Workshops durcheinander. Manche krabbeln oder rennen, andere fallen um oder ohrfeigen sich.
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Eine Teilnehmerin steht auf und geht nach vorne. „Ich weiß nicht, warum es Hass gibt“, fängt sie an. Dann erzählt sie von ihrem ersten Besuch in Deutschland. Plötzlich sei eine alte, weiße Frau auf sie zugekommen und habe sie beschimpft. „Du nimmst uns die Arbeit weg, du lebst von unseren Steuern, du nimmst uns die Männer weg. Dabei hatte ich das gar nicht vor.“ Das Publikum lacht, einige blicken kopfschüttelnd zu Boden.
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Applaus. Uwe Gössel bedankt sich bei allen und verkündet noch den Zeitplan für die letzten Stunden Internationales Forum. Dann beginnt eine lange Runde mit Dankesgeschenken für die WorkshopleiterInnen, Umarmungen. Ich schleiche mich leise nach draußen.