Während der zweiten Vorstellung von „89/90“ schienen einige Textstellen plötzlich abgeändert worden zu sein. Weshalb wohl?, fragt sich unsere Autorin – stellvertretend für die Blog-Redaktion.
„Ich geh mal einen N…BEEEEEP abseilen“, sagte eine der Figuren, gespielt von Andreas Dyszewski, in der gestrigen Vorstellung von „89/90“ der Regisseurin Claudia Bauer, einer Inszenierung, die rechte und linke Ideologien während der Wendezeit verhandelt. In der englischen Übertitelung steht an dieser Stelle kurioserweise einfach „Mozambican“. „Das war gestern aber noch nicht. Und in Leipzig haben die das auch nicht gebeept“, flüstert ein Zuschauer seiner Begleitung zu. Warum dann heute ein BEEP, wenn gestern hier noch das N-Wort zu hören gewesen war?
Keine Frage: Der Originalsatz ist rassistisch. Aber er wird innerhalb der Inszenierung reflektiert. Eine andere Figur (gespielt von Roman Kanonik) steht auf und entgegnet fragend: „Bist du Nazi?“ – „Du denn nicht?“, ist die Antwort.
„Ach nee, darf ich ja nicht mehr sagen.“
In der Pause dann die Frage, ob es rassistisch ist, das Wort überhaupt zu verwenden, auch wenn es in einem Kunstkontext geschieht. Muss man das beepen? Sollte man Wörter verbieten oder lieber neu besetzen? Als Aufhänger zu einer solchen Diskussion trägt das BEEP sicherlich bei – wenn es aus der inneren Logik der Inszenierung kommt. Aber warum es bei der zweiten Vorstellung eingesetzt wurde und sonst nicht, bleibt unklar. Regisseurin Claudia Bauer jedenfalls schien darüber nicht sehr glücklich.
Nach der Pause sagt eine andere Figur, dargestellt von Denis Petković, „Schwatten“ und korrigiert sich „Sch…BEEEEP. Ach nee, darf ich ja nicht mehr sagen.“ Das wirkt nicht einstudiert. Andere Wörter wie „Fidschi“ werden nicht gebeept, auch wenn sie in der Inszenierung für Menschen asiatischer Herkunft verwendet werden. Ohnehin ist hier viel diffamierendes Vokabular zu hören. „Ostfotze“ zum Beispiel. Wo ist da die innere Logik? Und warum sollte man diese Wörter, die in einem bestimmten künstlerischen Sinnzusammenhang stehen, und Sprechakte bestimmter ideologischer Gruppen sind, tilgen? Ein Nazi sagt nicht: „N…BEEP.“ Ein gespielter Nazi auf der Bühne der Berliner Festspiele tut es aber – außer bei der Premiere.
Die Freiheit einer Inszenierung
Bekam man nach vielen gespielten Vorstellungen plötzlich schlechte Rückmeldungen und hat sich daraufhin entschieden, bestimmte Wörter zu beepen? Fürchtet man das Berliner Publikum im anschließenden Publikumsgespräch? Oder kam das BEEP vielleicht von ganz anderer Stelle im Rahmen einer politischen Setzung? Wenn die Entscheidung nicht aus der Inszenierung heraus und von ihren Beteiligten getroffen wurde, dann wirft das in jedem Fall Fragen auf. Diversität und die Frage nach Kunst und Demokratie, wie schon in der Eröffnungsrede von Thomas Oberender gefordert, können nur verhandelt werden, wenn die Freiheit der Kunst und die Freiheit einer Inszenierung gewahrt bleiben. Zu ihrem Inhalt muss sich am Ende jeder selbst verhalten.