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„Theater und Netz“-Konferenz in der Heinrich-Böll Stiftung Tag 2.
Inzwischen halte ich hier einen Workshop zur „Wiederentdeckung des Haarnetzes als theatralisches Mittel“ für wahrscheinlicher als etwas über eine digitale Revolution im Theater zu erfahren. Man könnte mir an dieser Stelle vorwerfen, dass mein Assoziationsreichtum zum Begriff „Netz“ verarmt ist. Dass ich als Digital Native fixiert auf das Internet als überhaupt einziges Netz bin. Dass ich andere analoge Netzwerke aller Art sofort ausschließe. Und deshalb einfach selber Schuld bin, dass ich auch am zweiten Tag der „Theater und Netz“-Konferenz in der Heinrich-Böll-Stiftung vergeblich auf eine Thematisierung des digitalen Raums und seiner Bedeutung für das Theater warte. Vielleicht oder ziemlich sicher geht es bei „Theater und Netz“ gar nicht um die Verknüpfung von Theater und virtuellem Raum, sondern um Theater als Bestandteil verschiedener analoger Netzwerke.
Schlingensief 2.0
Ich frage mich trotzdem, wo die kompetenten Hacker sind, als Matthias Lilienthal (Intendant der Münchner Kammerspiele) und Dirk Pilz (Redakteur bei nachtkritik.de) in ihrer Diskussion „Wie kann Theater politisch sein“ zu dem Resümee kommen, dass ein Schlingensief 2.0 nicht ohne das Internet auskommen würde. Wo ist die netzaffine Person, die Matthias Lilienthal darauf hinweist, dass gerade die Art, wie er arbeitet, prädestiniert fürs Internet ist? Da baut er dann bald mit den Architekten von Raumlabor billige Wohncontainer in die Luxuseinkaufsstraße von München, um ein Bild für die prekäre Situation der Mietpreise zu schaffen und bleibt damit offline? Bilder produzieren, ohne das Bildmedium Nummer Eins miteinzubeziehen, ist ungefähr so, wie twittern per Ölgemälde. Man könnte Annemarie Matzke, Gründungsmitglied von She She Pop, dagegenstellen, die in einer anderen Diskussion betont, dass es wichtig sei, sich zu überlegen für welches (Theater)projekt man welches Medium benötigt. Diese Aussage, so selbstverständlich sie auch scheint, gehört zu den wichtigsten der ganzen Konferenz.
Theater muss sich nicht zwingend mit den Möglichkeiten und Veränderungen durch das Internet auseinandersetzen. Es muss auch nicht jedes Theater politisch sein. DAS Theater kann das auch gar nicht, weil es DAS Theater als normativen Begriff gar nicht gibt. Das pauschalisierende DAS ist eine Problematik, die sich durch viele Beiträge zieht. Man hat das Gefühl so ein bisschen Internet geht nicht. So ein bisschen Politik ist auch schwierig. Sich darüber Gedanken zu machen, wie im Theater Politikgehalt und der Einsatz digitaler Medien voneinander abhängen, bedeutet scheinbar einen Overkill fürs Vorstellungsvermögen 2.0. Ich würde behaupten, dass die alltägliche Wahlbeteiligung im Internet höher ist als zur analogen Bundestagswahl. Likes werden verteilt. Gelikte Inhalte können sich verbreiten wie Lauffeuer, die man Phänomenen wie der Brandstiftung am Oranienplatz entgegensetzen kann.
Wenn also Theatermacher, die politisch sein wollen, partizipative Medien nicht mitdenken, sollten sie vielleicht nochmal über die Wahl des Mediums sinnieren. Denke ich. Bis Wilfried Schulz, Intendant des Schauspiel Dresden, zum Thema „Von der Reflexion zur Aktion“ auf dem Podium sitzt.
„Kämpft für diese Theater“
Wilfried Schulz hat keinen witzigen Winter hinter sich. Er macht Theater in einer Stadt, die Synonym für Pegida geworden ist. Für ihn stellt sich die Frage, ob er mit seinem Theater politisch sein kann oder will, gar nicht. Wenn sich selbst Politiker kaum zu den Versammlungen in Dresden äußern, muss er in die Lücke springen, die die Politik nicht füllt. Wenn es in Dresden kaum öffentliche Auseinandersetzung mit Pegida gibt, dann muss jemand solche Orte der Auseinandersetzung schaffen. „Kämpft für diese Theater, denn es gibt in unserer Gesellschaft nicht mehr viele Orte, wo diese Fragen gestellt und solche Diskurse geführt werden,“ endet Wilfried Schulz mit Tränen in den Augen. Zum ersten Mal innerhalb dieser drei Tage Theatertreffeneröffnung, wo die Frequenz der Wortkombination Theater+Politik selten hoch ist, glaube ich jemandem, dass er tatsächlich eine Ahnung hat, wovon er spricht. Ganz kurz erwische ich mich bei dem Gedanken, dass das Internet vielleicht in manchen Bereichen auch zweitrangig ist. Dann fällt mir der arabische Frühling ein, der zeitweise auch mit Facebook-Revolution betitelt wurde. Das eher antirevolutionäre Pendant dazu ist die Tatsache, dass sich die hohe Teilnehmerzahl bei Pegidaversammlungen sicher nicht mit Telefonketten erklären lässt. Massenphänomenen wie Pegida begegnet man sicher am wirkungsvollsten mit Aufklärung vor Ort. Und mit einer Gegenmasse. Die erkämpft man auch digital: für politische Diskurse, die in Theatern entstehen können, aber dort nicht bleiben dürfen.