Am Samstagabend erreichte das 53. Theatertreffen einen schwerlich zu überbietenden Höhepunkt. Im Anschluss an eine Schauspielveranstaltung des Wiener Burgtheaters war die Bühne des Festspielhauses eiligst freigeschaufelt worden. Zuvor schon hatten sich Schlangen am Einlass gebildet und rote Plastikbändchen mit der Aufschrift „TT-Party“ glitten im Akkord über die schlanken Handgelenke junger Menschen. Glücklich, wem die schmalen Klebestreifen an der Armbehaarung zupften, denn ein Gästelistenplatz war heißer begehrt als „Effi Briest“-Tickets. Der Grund des Andrangs stieg um kurz nach 23 Uhr in eine erhöhte DJ-Kanzel am hinteren Bühnenrand und verkündete: Don’t Look Back. So jedenfalls stand es auf dem schlabberigen Volksbühnen-Pullover, in dem der Schauspieler Lars Eidinger in dieser Nacht sein Amt als Plattenwender und Reglerschieber verrichten sollte.
Viele waren gekommen, die sich in den Tagen zuvor wohl eher nicht in die Kernveranstaltungen des Theatertreffens verirrt hatten. Sicherlich nicht in die vier wunderbaren Stunden von Daniela Löffners Turgenjew-Adaption „Väter und Söhne“, deren altmodische, psychologisch-realistische Spielverabredung den „Look Back“ gerade nicht scheut und dabei ein so selbstbewusstes wie zutiefst humanistisches Theater entdeckt. In Dortmund oder Gießen gewinnt man mit sowas allerdings keinen kühlen Eispokal, wie uns einige Teilnehmer*innen des Internationalen Forums versicherten – nicht ohne mit etwas Stolz darauf hinzuweisen, dass man die Premiere von „Väter und Söhne“ deshalb bereits zur Pause reihenweise verlassen habe. Klarer Befund: Es gibt noch immer nicht genug Workshops.
Zur Party aber waren sie alle wieder da und Lars Eidinger, die gefragteste Persönlichkeit am Kurfürstendamm seit Rolf Eden, bot auf, wofür man an der Schaubühne sonst einen halben Sonntag lang in der Telefonwarteschleife hängt. Als noch kaum getanzt wurde, da war er schon ganz bei sich, warf zum Beat der Musik die Arme in die Luft und boxte gegen unsichtbare Clarences und Claudiusse. Und wie herrlich gelangweilt er guckte, da oben, im Strahlenkranz seiner Kanzel; er, dem das inzwischen tonsurförmig ausgehende Haupthaar ohnehin eine immer mehr ins Mönchische gleitende Aura verleiht! Den klassischen Diederichsen-Satz jedenfalls, der DJ gleiche einem Modedesigner, dessen Kleider man trage, ohne sich dabei auf seine Persönlichkeit zu beziehen, ließ Eidinger kalt im Konfettiregen stehen. Letzteren zündete er im beglückendsten Moment dieses schönen Abends mittels einer kleinen Kanone, die er, auf dem Geländer seiner Empore stehend, zwischen seinen Beinen hielt. Nieder ging das Flimmerzeug und alles zappelte und juchzte in der Glitzerwolke aus den Lenden des Superstars. Art is Pop and Pop is Art. Was haben wir getanzt.
Update:
Die Kolleg*innen Marlene Knobloch und Xaver von Cranach haben am Rande der Party Stimmen eingefangen, Falk Rößler hat sie zusammengeschnitten.
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