„Das Prinzip Meese“ von Oliver Kluck gewann im vergangenen Jahr den Förderpreis des Stückemarkts. Es beschreibt eine „Generation“, die zwischen Kurzarbeit und Fernsehen, E- und U-Kultur und unter den an sie gestellten Erwartungen fast verschwindet. Gestern lief das Stück in der Inszenierung von Antú Romero Nunes im Maxim Gorki Theater in Berlin.
Aus dem Vorwort zum Stück:
Jedes Verlagsprogramm ist für dieses Stück geeignet, jedes Feuilleton kann kompetent darüber schreiben (ohne es gesehen zu haben).
Es ist nicht gerade ein well-made play, dieses „Prinzip Meese. für alle die, die Wasserfarben auch im Dunkeln sehen“ von Oliver Kluck. Aber es ist für alle geeignet, die wissen, wer Mitch Buchannon ist oder schon mal über einen Hartz-IV-Antrag nachgedacht haben. Das Stück besteht aus großflächigen Monologen, die Ereignisse aus dem Leben von Menschen beschreiben, die in ihrer Jugend Baywatch geschaut haben, aus irritierten Familien kommen, sich mit schlecht bezahlten Ferienjobs durchschlagen, darüber nachdenken, was so ein Theater ihnen zu geben hat, die sich an furchtbare Schulaufführungen erinnern, ein bisschen zynisch sind und ein bisschen traurig und die sich halt gerne ein bisschen verorten.
Den Monologen zur Seite gestellt sind dialogische Diskurse, die zwischen Philosophie und dem Weißen Rauschen einer Informationskultur schweben. Was man mit diesem Text anfangen kann, führt der 1983 geborene, und damit altersmäßig passende Regisseur, Antù Romero Nunes, im Gorki Theater vor. Mit zwei hervorragenden Schauspielern, Anika Baumann und Michael Klammer, fabriziert er einen unterhaltsamen und klugen Marsch durch exemplarische Situationen und Einflüsse, die eben jene Generation Meese begrenzen, die sich auf den Aktionskünstler Jonathan Meese bezieht.
Lecture Performance mit Identifikationseffekt
Die Inszenierung ist vielmehr eine leicht dahinimprovisierte Lecture Performance als ein Theaterabend. Baumann und Klammer sprechen mit dem Publikum: erzählen, erklären, führen vor. Beide haben eine ganz eigene Form des Sprechens gefunden. Es klingt natürlich, spricht im wahrsten Sinn des Wortes an. Beispielsweise unterbricht Klammer plötzlich eine sketchhafte Episode und das Gelächter des Publikums und erklärt: „Mir reicht das jetzt. Ich lach ja auch über sowas, aber irgendwann ist es genug.“ Solche Augenblicke verführen für einen Augenblick „wirklich“ dazu darüber nachzudenken, ob dieser Ausbruch eine Regieidee ist oder es dem Schauspieler in diesem Moment „wirklich“ so geht. Und sie werfen auch auf den Denkenden zurück, der sich fragen darf, ob es ihm nicht auch oft so geht, dass das Lachen im Halse stecken bleibt.
Baywatch als Bindeglied mit Prägungsanspruch
Hier wird über das Theater und seine Mittel nachgedacht, die Performance bleibt aber nicht in dieser Selbstreferenzialität stecken. Sie berührt. Mit einfachsten Mitteln regt sie zur Identifikation an: Baumann fragt im Publikum nach den Lieblingsserien der 1980er und 1990er und singt danach mit ihrem Kollegen das Baywatch-Titellied. „Das Prinzip Meese“ kann beides, das Intellektuelle und das Emotionale. Die intellektuelle Reflexion und die totale Affirmation.
Das dichte Textgewebe, das irgendwo zwischen Prosa, Lyrik und Manifest steht, wird greifbar gemacht, ohne es zu verflachen. Die präzise Brillanz des Textes verändert sich, sie wird lockerer, weniger zynisch. Alle gehören dazu, an diesem Abend, jeder findet sich irgendwo wieder: Die Performance findet zu einer möglichen Essenz des Textes, die laut herausgeschrieen wird: Ja, verdammt. Wir sind Theatertreffen! Und ja, wir sind auch Baywatch!