Am 6. Mai wurde der Stückemarkt offiziell mit einem Gespräch zum Thema „Politisches Schreiben heute“ beendet. Was für ein programmatischer Titel! Nicht nur in diesem Titel, aber hier besonders augenfällig phrasenhaft, zeigt sich der Versuch des Theatertreffens, den Stückemarkt als Format doch noch unter einen Hut zu bringen.
Das, was irgendwann mal, wahrscheinlich eigentlich nie, ganz unkompliziert „Gegenwartsdramatik“ hieß und durch eben den Stückemarkt gefördert werden sollte, das trug ja irgendwann nicht mehr nur die verschiedenen modischen Hütchen, von denen Milo Rau (Stückemarkt-Jurymitglied) in seinem Text zur Auswahl spricht (neue englische Dramatik, Postdramatik, dokumentarisches Theater, etc.). Nein, irgendwann plötzlich waren da Hüte, die hießen performativ, installativ, interventionistisch und konnten nicht mehr recht mit dem zusammen gebracht werden, was irgendwann, oder eben auch nie, auch ganz unkompliziert „Szenischer Text“ geheißen hatte.
Und was nun?
Also hat der Stückemarkt 2012 „einen Prozess der Öffnung begonnen“ (Christina Zintl – Dramaturgin Theatertreffen/Stückemarkt), 2014 ein Pat*innenschaftsmodell versucht, bei dem diese „Szenischen Texte“ gar nicht mehr so recht vorgekommen sind, und schließlich in diesem Jahr, wieder mit Einreichverfahren zu einer Variante gefunden, die eben versucht, alles das unter einen Hut zu bringen.
Dieser Hut heißt Politik. Die Zeit der „Cappuccino-Dramatik“ (Yvonne Büdenhölzer – Leiterin des Theatertreffens) ist vorbei. Anscheinend gibt es allerlei Projekte, „die auch die Verfasstheit der Kunst selbst und deren politisches Potential in den Fokus rücken“ (Christina Zintl). Milo Rau hofft jedenfalls, dass die „Auswahl einigermaßen repräsentativ ist“, dass also die Auswahl nicht nur einen Programmschwerpunkt untermauert, sondern diesen erst konstituiert hat.
Wenn es nun 2015 um „neue Dramatik in all ihren Facetten“ (Christina Zintl) gegangen ist, dann wurde diesem Tableau von Stücken, beziehungsweise wurden den einzelnen Projekten jeweils wieder eigene Hütchen aufgesetzt. Die sind ja alle ganz verschieden entstanden: „am Schreibtisch (Stefan Wipplinger), durch Recherche (Alexandra Badea), während des Probenprozesses (Tom Struyf), durch die Performance selbst (Daniel Cremer) oder aus einer Mischung aller Vorgehensweisen (Alexander Manuiloff)“ (Christina Zintl).
Aber kann dann das eine mit dem anderen, wenn die doch so verschieden
Um die Vergleichbarkeit der einzelnen Projekte zu untermauern, wurde vielfach der Begriff „Sprache“ beschworen. Sprache, das ist dasjenige Medium, innerhalb dessen die einzelnen Projekte hauptsächlich passieren mussten, um für das Format Stückemarkt im Jahr 2015 interessant zu sein. Sprache, das ist erstmal ein großartiger Begriff, ich kann mir ja wenig größeres vorstellen, und diese Auffassung von dem, was Theater ist oder sein soll, divergiert in ihrer Größe oder „Offenheit“ (Christina Zintl) doch sehr von dem, was Theatertreffen-Jurymitglied Barbara Burckhardt am Anfang des Festivals in einem Vortrag erwähnt hat („leibliche Ko-Präsenz“). Divergiert auch von dem was Thomas Oberender (Intendant der Berliner Festspiele) und Yvonne Büdenhölzer zu anfangs ihres Vorwortes formulieren:
„Keine Kunst lebt so sehr vom unmittelbaren Austausch wie das Theater: Der Theaterabend steht und fällt mit der Interaktion zwischen Bühne und Publikum. Anders als Literatur, Bildende Kunst und Film ist Theater eine Kunst, die jeden Abend neu mit allen Menschen im Raum entsteht. Man könnte Theater also auch zur kollektivsten aller Künste deklarieren. Ganz sicher jedenfalls ist das Theater ein Raum, der Debatten anstoßen, prägen und befeuern kann.“
In einem Aufsatz, erschienen im Theatermagazin „Die deutsche Bühne“, hat Thomas Oberender da nochmal differenziert und weitere fünf Partikularhütchen ausgeteilt. Die gekürzte Version gab es zur Eröffnung des Stückemarktes und gibt es hier zum Nachlesen.
Stückemarkt also jetzt aus. Jede Menge Hüte wurden verteilt, manch einer sitzt wo ganz gut. Andere haben ein Hütchen gefangen, noch andre sich eins eingefangen. Theatertreffen geht weiter. Oh, so viele schöne Hüte. Neue, alte, tolle, und solche zum reinwachsen. Weil die Hutmacherei, das ist das unkaputtbare unter allen Gewerben.