Hier Theater. Dort Theater am Rande des Aktivismus. Hier klassische Formen, aus denen kein Entkommen ist. Dort Experiment, Studio, Labor. Mach ich ja auch ganz gerne, schlag ich mich mal auf ne Seite: Jetztzeitbetrachtung, Orchester, bling bling. Dass aber das eine sehr wohl mit dem anderen und eigentlich beides ineinander dauernd mit und gegen, trotzdem einfach keine isolierten Geschehnisse darstellt, es also nur unter richtig wilder Reduktion möglich ist, vom gesellschaftlich gleichgültigen Theater der Repräsentation einerseits und vom politisch motivierten Aktivismus der Selbstermächtigung andererseits zu sprechen, warum?
Weil erstens sich in so einer Gegenüberstellung meistens nicht nur das Theater und der Aktivismus begegnen, sondern dann eben auch noch all diese damit assoziierten Vokabeln, mit denen über das Verhältnis dieser Formen zu Aktualität, zu Publikum, zu Identität im Generellen und zu sich selber im Speziellen gesprochen wird. Weil zweitens TheaterTheater und das, was noch immer neue Formen heißt, sich nicht per se inhaltlich oder formal oder ästhetisch, noch auch in der politischen Motivation voneinander unterscheiden müssen, sondern dies meistens tun in den Produktionsweisen und Bedingungen. Weil drittens die Aktion Erster Europäischer Mauerfall innerhalb der Jury als eine mögliche unter zehn bedeutendsten Inszenierungen diskutiert wurde.
Im November 2014 inszenierte das Zentrum für Politische Schönheit den Ersten Europäischen Mauerfall. Nah an den Feierlichkeiten zu 25 Jahre Mauerfall in Berlin wurden die weißen Mauerkreuze an der Spree von eben dort entfernt und an heutige, real existierende Mauern, Grenzen, Zäune, nämlich die von dieser Festung Europa gebracht. Am 7. November machten sich zwei Reisebusse von Berlin aus auf den Weg nach Bulgarien, um dort wirklich oder symbolisch oder beides die Grenzen einzureißen.
Barbara Burckhardt aus der Jury vom Theatertreffen sieht das Ganze jedenfalls so:
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Das ist doch gut. Das hört sich so an: Wie so vieles andere ist vielleicht auch der Begriff Theater im Wort Theatertreffen ein provisorischer. Weil in einem Rahmen agiert wird, innerhalb dessen manche Produktionsweisen naheliegender erscheinen als andere, werden Produktionen eingeladen, die diesem Rahmen näher liegen als andere. Dass Produktionsbedingungen immer auch verändert werden können, ja.
Dass die Produktionsbedingungen von Theater in Deutschland verändert werden müssen, das trug dieser zweite Tag neben der inhaltlichen Ausrichtung an Themen der Einwanderungspolitik, die innerhalb von Gesprächen und Workshops verhandelt wurden, groß mit sich herum. Weil es etwas gibt, das etabliert ist, nämlich das TheaterTheater, das sich hinreichend oft schon als weißer heterosexueller Mann um die 50 entpuppt hat, gibt es einfach genug Gründe sich nicht mit provisorischen Begriffen aufzuhalten, sondern einem konkreten Handlungsbedarf zu folgen. Also immer wieder und wieder hierarchische Verhältnisse, strukturellen Rassismus und blinde Flecken im Theater und in der Welt überhaupt in Form von Theater am Rande des Aktivismus anzugehen.
So geschehen auch heute. Das Zentrum für Rassismuszertifizierung hat vor dem Eingang zum Haus der Berliner Festspiele die Demo Version eines Erkennungstests vorgespielt. Ist das rassistisch, wenn. Und die Antwort war dann ja. Deswegen gab es einen Zertifizierungsstempel, der zwar nicht auf Menschen oder auf naheliegende Architekturen angebracht wurde, aber auf einer Rolle Papier.
Aha. Und eben! Eine Unterscheidung zwischen Theater und Theater am Rande des Aktivismus geht viertens auch nur sehr schwer, weil diese Dinge in einem strukturellen Näheverhältnis stehen. Am Nachmittag waren die Menschen vom Zentrum für Rassismuszertifizierung noch involviert in das, was heute wirklich als Establishment bezeichnet worden war, haben in verschiedenen Workshops, als verschiedene Initiativen verschiedene Projekte vorgestellt, die sich mit Selbstermächtigung im Kulturbereich auseinander setzen.
Und fünftens werde ich jetzt Marianna Salzmann aus der Podiumsdiskussion heute im Camp paraphrasieren: Theater ist sowieso aktivistisch. Das ist ein Handeln nach außen, also notwendigerweise schon immer auch politisch. Und auch das Private, also das nicht intendiert, das nicht explizit Politische ist: eh schon wissen.
Deswegen: Make love, not war. Macht Theater und macht Politik und macht Veranstaltungen, wo ich nicht mehr weiß, ob ich jetzt in meinem ästhetischen oder in meinem politischen Bewusstsein gefragt bin und macht Diskussionen, wo das eine gegen das andere ausgespielt wird. Ach so, ja, und damit wollte ich jetzt mehrere Lanzen brechen für eine Pluralität der Formen, die irgendwie miteinander existieren können und nicht über jeweils vorherrschende Produktionsbedingungen oder irgendwelche inhaltlichen Ansätze sprechen. Eh.