Der heutige Werkauftrag-Pitch des Stückemarkts wird kontrovers diskutiert. Der junge Theaterautor Lars Werner fragt sich, ob das alles sein muss, und beklagt die alles erfassende Eventisierung. Uns hat er in dieser Sache einen offenen Brief geschickt, den wir hier als „op-ed“ veröffentlichen.
Liebes Theatertreffen,
erst einmal: Schön, dass es dich gibt. Schön, dass wir uns durch eine Vielzahl an spannenden Produktionen, Lesungen und Diskussionen schaufeln können, und dabei immer wieder neue Konzepte und Formate ausprobiert werden.
Mit dem neuen Mittwoch-Pitch-Happening allerdings wird die Werkauftragsvergabe, für viele Theater-Autor*innen also das ganz banale, wacklige, schmerzhafte, anstrengende Lebensunterhalt-Verdienen, eventisiert. In den Zeilen spricht der Ankündigungstext von einem partizipativen Verfahren, von einer transparenten Diskussion über Qualitäts-Kriterien und von Publikums-Berater*innen. Das ist schönste Antragsprosa, aber sie lässt sich doch einfach übersetzen mit: Online-Voting, Jury, Casting. Der Ankündigungstext beschreibt eigentlich eine Art intellektuelleres DSDS (oder wahlweise auch, wie Kathrin Röggla gestern beim Publikumsgespräch bemerkte, „Germany’s Next Top Model“). Der einzige Unterschied dabei ist, dass es irgendwie aufgeklärter und wichtiger für uns alle klingt, wenn da von „nachhaltiger Vernetzung“ und „großer Öffentlichkeit“ die Rede ist.
Nur Likes und Smileys
Als nachwüchselnder Autor wirkt es auf mich ohnehin schon, als ob die Verfahren für Preise oder Stipendien-Vergabe immer umfangreicher würden. Das Schwitzen und Warten, ob etwas klappt, ist bei mir aufgrund des Studentenstatus‘ noch nicht so existentiell wie beim vom Schreiben lebenden Autor*innen, dennoch macht es schon wenig Spaß genug. Wenn die Ergebnisse dann eintrudeln, sind die Jury-Entscheidungen oft unklar oder gar nicht vermittelt. Ohne Rücksprachemöglichkeit bleibt man mit den Fragen nach den Mängeln des Textes oder ausschlaggebenden Kritierien allein. Oft erfährt man erst Monate später durch Zufall, wie der eigene Text besprochen wurde. So weit, so undurchsichtig – und nicht gut. Da gibt es sicher genügend Dinge, die kritisiert werden können. Dennoch hoffe ich doch immer, dass in diesen Jurys Menschen sitzen, die aus verschiedenen Theaterblickwinkeln Texte diskutieren, um dann Entscheidungen zu treffen, die vielleicht nicht immer geil sind, aber denen eben eine tatsächliche Diskussion voranging. Dagegen ist ein abstimmendes Publikum eine Masse, die man nicht befragen kann, die aus dem Moment heraus über etwas entscheidet, ohne es länger abzuwägen. Das ist ein Like, das ist ein Smiley – eine „transparente Diskussion über Qualitätskriterien“ ist es nicht. Am Stückemarkt-Eröffnungstag wurde der anwesende Autor Philipp Löhle gefragt, was er denn von der Idee des Werkauftrag-Pitches halte. Er gab darauf zur Antwort, dass man natürlich erst einmal abwarten müsse, wie es werde, aber – und damit deckte er in meinen Augen eines der Kernprobleme des Formats auf – er frage sich schon, wie dann in Zukunft so ein Flüchtlings-Pitch aussehen würde.
Die Autor*innen werden zu Acts
Dahinter steht wohl die Vermutung, dass nicht alles in ein Kurzformat gesteckt werden kann, ob nun aus Pietätsgründen oder der Gefahr, dass da etwas verflacht. Vielleicht geht es dann auch gar nicht darum, ob man mit der Idee überzeugt, sondern wieviel Abstimmungsmasse die Pitchenden generieren können. Da wäre auch nochmal die Nähe zu der Fernsehvariante des Formats hergestellt. Passend dazu sollen die Ideen mit medialer Begleitung, kurzen Performances und Lesungen innerhalb von zehn Minuten vermittelt werden. Die Autor*innen werden zu Acts. Denn diese Art von Ideen-Präsentation ist ja kein Vorgang, der so irgendwo stattfindet. Die ins Leben gerufene Disziplin ist also selbst die verkürzte, medial servierbar gemachte Variante vieler anderer Prozesse. Weswegen es wohl schwer werden wird, von diesem neuen, eigenständigen Show-Format ausgehend eine Diskussion über die Qualitätskriterien der üblichen Versionen von Stückvergabe zu beginnen. Warum geschieht das also und wohin soll es führen? Bei der Eröffnungsrede wurde betont, dass man eben eine solche Diskussionen zur Transparenz usw. anstoßen möchte. Was ist denn aber transparent am Klatschen und der Begeisterung einer Masse? Oder erhofft man sich das eher von den live vorgelesenen Twitter-Kommentaren, die es während der Show geben wird, und die das Tuscheln in den Rängen quasi ins Licht rücken? Aber deswegen tuschelt man doch: Damit es nicht jeder hört. Gab es denn überhaupt eine Nachfrage nach so viel Transparenz? Wurden hinter den Werkvergaben der letzten Spielzeit FIFA-artige Strukturen vermutet? Oder was genau ist die der Sache zugrunde liegende Kritik am bestehenden System, das ohne Zweifel viel und unablässig Kritik verdient? In der Entwicklung eines Formats, das die üblichen Prozesse von „Theater-Vergibt-Stück-an-Autor*in“ abstrahiert und zur Show-Challenge macht, sehe ich keine kritische Diskussion der momentanen Theater-Verhältnisse und Autor*innen-Förderung. Unbeteiligte einbinden, Fun-Faktor für alle hochdrehen, Time-Limits und Voting – das klingt eher nach unterhaltungsindustriellem Bejahen.
Zum Autor:
Lars Werner wurde 1988 in Dresden geboren. Seit 2014 studiert er Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Seine Stücke liefen bisher am Schauspiel Leipzig und in der P14-Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Er ist Mitorganisator der Lesereihe Glanzoderharnisch im Gelegenheiten, Neukölln.