Ode an Peymann

Gestern Abend hat uns Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles, den Glauben an das deutsche Theater zurückgegeben. Im Preiskampf hat er mit überzeugenden Argumenten – wir hatten auch einige – die Gegner aus dem Feld geschlagen und am Ende triumphiert. Ein großer Auftritt.

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Die 3Sat Preiskampf-Juroren Claus Peymann und Jenny Erpenbeck in Aktion. Foto: Jason Kassab-Bachi

Lieber Claus Peymann,

auch wenn es gestern Abend keinen Ringrichter gab, den Kampf hast Du nicht nur durch das kollektive K.O. Deiner Mitstreiter gewonnen, sondern auch klar nach Punkten. Dass Du im Laufe der Diskussion ganz nebenbei die Abhängigkeiten des deutschen Theaterbetriebs enthüllt hast, verdient besonderen Applaus. Vollkommen ironiefrei hast Du die mutige Selbstanzeige gewagt und Dein Adressbuch offen gelegt: Beuys, wissen wir nun, hast Du „ganz gut gekannt“ – im Gegensatz zu diesem „lustigen Clown“ Schlingensief, mit dem Du trotz der „betrunkenen Debilen“, die in seinen Stücken auftreten, „fast befreundet“ bist. Auch dass dieser Kerl „immer am Berliner Ensemble inszenieren wollte“, hast Du uns nicht verschwiegen. Warum daraus trotz aller Zuneigung nichts geworden ist, haben wir leider nicht erfahren.

Dafür hast selbstverständlich Du den Schauspieler Nicholas Ofczarek, der gerade im „Weibsteufel„-Gastspiel glänzte, entdeckt und „damals“ ans Burgtheater engagiert. Dass Du ihn angesichts der ersten Misserfolge gerne nach Heilbronn abgeschoben hättest, gehörte natürlich nicht aufs Podium. Gestern jedenfalls waren die „Weibsteufel“-Darsteller Deine Preiskandidaten, die Du mit dem ganzen Schwergewicht Deiner 50-jährigen Theaterkarriere verteidigt hast: „Ich kenne alle drei Schauspieler – besonders das Mädchen.“

Sei’s drum. Immerhin war der Vorschlag von C. Bernd Sucher, den Preis an Annette Paulmann für ihren Auftritt in der „Prozess„-Inszenierung von Andreas Kriegenburg zu vergeben, für Dich „ein wirklich seriöser, hochqualifizierter Vorschlag“ – schließlich wolltest Du die Frau „auch schon oft engagieren“. Ob Du auch mal versucht hast, die Hamburger Schauspielerin Marion Breckwoldt anzustellen, ist nicht ganz klar geworden. Aber zumindest hast Du Dir Gedanken darüber gemacht, wie Du sie besetzen würdest: „Die soll ne Medea spielen“, auf keinen Fall aber einen Mann wie in Volker Löschs „Marat„-Version. Die Marquis de Sade-Figur in „Marat“ sei schließlich eine „der faszinierendsten Erfindungen“ Deines „alten Freundes Peter Weiss.“

Schließlich haben wir noch erfahren, dass Du in Christoph Marthalers „Waldhaus„-Hotel „seit 30 Jahren“ Urlaub machst, aber die Einladung einer Inszenierung, die nicht gezeigt werden kann, für „großen Quatsch“ hältst. Nur eines wolltest Du in Deiner bescheidenen Art gestern nicht zusammenfassend formulieren: Dass das deutsche Theater nur durch Deine Mühen überhaupt bis heute überlebt hat. Aber das wussten wir ja sowieso…

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Kristin Becker

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