Quasi-Live-Blog der Pressekonferenz

Herbert Fritsch redet sich hinter den Tulpen hervor. Foto: Yehuda Swed

Baustelle, Haus der Berliner Festspiele. Derzeit staubt es noch hier und da, die Kabel hängen aus der Decke, bis zur Eröffnung des Theatertreffens am Freitag ist alles fertig, frisch renoviert. W-Lan gibt es erst ab morgen, daher stelle ich meine Aufzeichnungen der Pressekonferenz erst nachträglich ins Blog. Fotos folgen.

12:55 Die Stühle für die Pressekonferenz stehen. Ein paar lila Lampignons hängen über den Köpfen der baldigen Verkünder der frohen Theatertreffen-Botschaften.

12:56 Ein erstes Murmeln geht durch den Raum, nachdem sich die Journalisten durch die Baustelle des Theatertreffens gekämpft haben.

12:58 Jagoda Engelbrecht, die Pressechefin der Berliner Festspiele, akkreditiert und busserlt Journalisten.

13:00 Herbert Fritsch, der Star des Theatertreffens, plaudert mit Berliner Festspielleiterin Iris Laufenberg. Er trägt einen grauen Anzug zu einem braunen (!) Hemd.

13:02 Uwe Gössel, Leiter des Internationalen Forums, redet mit einer Frau im pinken Mantel, die sich Notizen macht und als Kathrin Frosch herausstellt, die für die Ausstattung des Hauses der Berliner Festspiele beim Theatertreffen zuständig ist.

13:05 Der Techniker neben mir auf der Heizung erzählt zu den Vorbereitungen: „Ein Riesenchaos, aber ansonsten alles gut“.

13:08 Joachim Sartorius, Aino Laberenz, Iris Laufenberg und Herbert Fritsch nehmen auf dem Podium Platz. Es ist angerichtet. Joachim Sartorius rückt den Wimpel, eine Art Zerrspiegel, an den Tischrand.

13:10 Franz Wille, Chefredakteur von „Theater heute“, nimmt in der ersten Reihe Platz. tt Jurorin Christine Wahl sitzt auch in der ersten Reihe.

13:11 Jagoda Engelbrecht: „Wir versprechen Ihnen, am 6. Mai werden sie dem Haus im neuen Outfit begegnen.“

13:14 Joachim Sartorius, der Intendant des Hauses, kommt gerade aus New York und verkündet: „Bei einer Lesung dort von Salman Rushdie waren weniger Leute.“ Er fühlt sich „für den Überbau des Festivals zuständig“ und freut sich, 15 Millionen Euro bekommen zu haben, um das Theater von Grund auf „zu ertüchtigen“.

13:17 Sartorius gibt das Wort an Iris Laufenberg ab. „Die Jury hat die Auswahl im Februar persönlich verkündet“. Erstmals dabei: zwei Repräsentanten der freien Szene, und so weiter und so weiter. „Und Herbert Fritsch, hätte ich fast vergesssen“. Sie gedenkt Schlingensief.

13:19 Drei Diskussionen: eine zu Schlingensiefs Operndorf – Sartorius kratzt sich an der Schläfe – eine zum „Unwort“ Feminismus, eine dazu, ob der Begriff „Freie Szene“ noch Sinn macht.

13:22 Fokus auf Herbert Fritsch, der als Schauspieler, als Zaungast und jetzt als Regisseur beim Theatertreffen ist. Reminiszenz: Einst fuhr er in Limousine vor und warb Publikum für sein Gegen-Theatertreffen ab.

13:23 Fritsch: „Ich bin ein Spieler.“

13:26 Aino Laberenz erzählt, wie Christoph und sie in Burkina Faso gelandet sind. Ihre Arme sind verschränkt. „Er hat das Operndorf auch schon ohne sich gedacht.“ Die erste Bauphase sei in diesem Sommer abgeschlossen, dann stehe die Schule.

13:29 Ein Mann stellt sich neben mich, filmt und versperrt mir die Sicht.

13:30 Er hat verstanden und verlässt den Platz an der Heizung wieder.

13:32 Iris Laufenberg hat sich geirrt: Nicht Francis Kéré, der Architekt der Operndorf-Schule in Burkina Faso, sondern Aino Laberenz ist nämlich die Bauleiterin. Henning Mankell ist zur ersten „Via Intolleranza II“-Aufführung eingeladen.

13:36 Aino Laberenz zur Frage, wie sie als Frau in Afrika wahrgenommen wurde: „Dass die Frau von Schlingensief dabei war, hat den Afrikanern vermittelt, dass er es ernst meint mit dem Projekt.“

13:38 Iris Laufenberg erzählt von einer Ausstellung, in der es um mehrere Generationen von Regie-Frauen geht, auch „Regisseurin“ genannt, ein Beruf, den es noch nicht so lange gebe.

13:40 Sartorius erzählt von der Ausstellung „Wenn der Vorhang fällt“ über den Moment, wenn der Schauspieler gerade seine Bühnenrolle verlassen hat. Schon 50.000 Besucher seien im Martin-Gropius-Bau gewesen.

13:41 Unsanfter Wechsel zu Herbert Fritschs „Nora“. Er kommt hinter den gelben Tulpen, die vor ihm auf dem Tisch stehen, hervor, und erzählt: „Ich wollte das Stück eigentlich gar nicht machen.“ Mmh, diese Antwort hab ich schon oft gelesen, schade, wenn wichtige Menschen immer dasselbe erzählen. „Nora ist ein richtiges Luder.“ „Ich mach mir nicht viele Gedanken, grundsätzlich nicht. Wenn ich solche Stücke mache.“ Ein Glück, dass er den Satz noch nachgeschoben hat! Fritsch will Lust haben am Stoff. Wurde unter anderem vom Sterntaler-Märchen inspiriert.

13:43 Laufenberg: „Du hast dich verpflichtet, bei der Fernsehaufzeichnung von Nora Regie zu führen. Und machst auch viel mit Internet.“

13:44 Fritsch: „Ich halte dieses Weniger-ist-mehr-Gehabe des Theaters nicht aus.“ Fritsch will lieber richtig „volle Kanne“. Die Fernsehaufzeichnung der Nora wird nachsynchronisiert und mit Geräuschen verstärkt. „Ich wills eben nicht echt. Auch nicht ehrlich. Ich finds schön, Leute zu verarschen. Was gibts Schöneres, als charmant angelogen zu werden?“ Fritsch wird immer lauter, gestikuliert wild, ein Fotograf pirscht sich von unten an ihn heran, um das festzuhalten.

13:51 Laufenberg versucht zu unterbrechen. Fritsch will nicht. Redet sich über Maria Callas in Rage.

13:52 Laufenberg hat sich das Wort wieder geschnappt. Sagt, dass man viele Aufzeichnungen im Sony Center am Potsdamer Platz sehen kann. Und sich den Picknickkorb mitnehmen.

13:53 Laufenberg: „Das Theatertreffen ist ein Festival für das Publikum, nicht für die Elite.“ Danke, Iris, ich finde Dich super!

13:55 Laufenberg erzählt vom Stückemarkt, dem Internationalen Forum und dem Blog. Der Stückemarkt suche gegenwärtige Dramatik und nicht die „Dramatiker von morgen“. Bei der Eröffnung werde der englische Dramatiker Simon Stephens sprechen, ein beliebter Gast auf dem deutschen Theaterpodium. Warum werden eigentlich immer dieselben Autoren eingeladen?

14:02 Laufenberg: „Es gibt vereinzelt Beschwerden von Regisseuren, die nicht eingeladen wurden, aber darauf möchte ich jetzt nicht näher eingehen.“

14:03 Applaus. Bei einer Pressekonferenz? Die Reihen lichten sich.

–––

Grete Götze

Grete Götze hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie deutsche und französische Literaturwissenschaft studiert und war Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau. Für den Hessischen Rundfunk arbeitet die freie Journalistin als Filmemacherin u.a. beim ARD-Kulturmagazin „titel thesen temperamente“, außerdem schreibt sie für die FAZ und nachtkritik.de. Sie hat journalistische Nachwuchsprojekte etwa bei der Theaterbiennale „Neue Stücke aus Europa“ und an der Mainzer Universität geleitet und ist Alumni des Berliner Theatertreffen-Blogs.

Alle Artikel