„Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen“ in der Inszenierung von Karin Beier basiert auf einer bissigen Sozialsatire der italienischen Filmemacher Ettore Scola und Ruggero Maccari: Ein Haufen amoralischer Gestalten lärmt, klaut und vergewaltigt vor dem schönen Panorama von Rom. In der Kölner Bühnenadaption sind die Schauspieler hinter Glas gesperrt und werden so zu einem Zoo bunt gekleideter Körper.
Susanne Barth steht stumm inmitten des Chaos wie eine Mater Dolorosa des White Trash. Sie ist eine Ausnahmeerscheinung in dem Haufen aus Jogginghosen und Strickjacken, den das Ensemble von Karin Beiers Kölner Inszenierung „Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen“ bildet.
Ungeheuer hinter Glas
In dem Stück, das auf dem 70er Jahre-Film von Ettore Scola und Ruggero Maccari basiert, wird die Geschichte einer Familie erzählt, wie sie direkt aus einer Doku-Soap auf RTL 2 kommen könnte. Der Vater (Markus John) nimmt in dem winzigen Familienkosmos (Thomas Dreissigackers Bühnenbild erinnert an einen langgezogenen Bauwagen) den meisten Raum ein. Wenn Johns Patriarch sich an seiner Schwiegertochter vergeht, dann sieht das nicht gestellt aus. Er reißt sich die Jogginghose runter, presst seinen nackten Arsch an die Glasscheibe, die die Familie schalldicht vom Publikum abschließt, und drückt den Kopf der behäbigen Blonden (Lina Beckmann) in seinen Schoß. Deren Körper wehrt sich kaum noch, selbst als er sie von hinten nimmt und ihr Kopf immer wieder an die Glasscheibe prallt – sie scheint sich bereits an diese Behandlung gewöhnt zu haben. Denn eigentlich wichtig ist nur das Geld. Der Vater hat ein dickes Geldbündel, an das alle ranwollen. Die Gier geht bei seiner Frau (Julia Wieninger) so weit, dass sie beschließt, ihn mit Rattengift zu entsorgen.
Die Glasscheibe, die nur ab und zu Dialogfetzen nach außen dringen lässt, hält die Zuschauer außen vor, sie lässt ihnen nichts anderes als den voyeuristischen Blick auf die physischen Vorgänge. Brutalität und Hoffnungslosigkeit, aber auch das Aufbegehren gegen den abschätzigen Blick des Publikums scheinen in die Körper der Schauspieler übergegangen zu sein. Manchmal werden sie von wahnhafter Poesie erwischt, diese Momente prägen sich ein.
RTL 2 für Bildungsbürger?
Warum es um diese Körper herum noch die altbekannten Jogginghosen, zerrissenen Strumpfhosen und Strickjacken geben muss, die fast schon zur klassischen Theaterausstattung von Asozialen geworden sind, das wird jedoch nicht klar. Ebensowenig die vorwurfsvollen Blicke, die die Schauspieler immer wieder in die Sitzreihen werfen. Wird hier das übliche RTL 2-Programm um eine Reflexionsebene erweitert, um Bildungsbürger-tauglich zu werden?
Die Mater Dolorosa (Susanne Barth) schaut zwar ebenfalls vorwurfsvoll, doch in ihrem schlichtem schwarzem Kleid sticht sie aus der bunten Masse hervor und setzt einen Kontrapunkt. Ihr zur Seite steht einer der Söhne, der in Frauenkleider, mit Patti Smith und Tschechows Onkel Wanja gegen die schlicht markierte Welt der Jogginghosen rebelliert. Sie sind unerwartete Ausbrüche aus dieser Ansammlung. Damit eröffnen sie einen Horizont, der über die Voyeurismuskritik hinausweist. Das sind vielversprechende Ansätze einer weiterführenden Poesie, die es hätte geben können, geben sollen.