Du bist, wie du klatschst

Pressekonferenzen enden meist mit Stille. Journalisten klatschen nicht. Sie sollen Distanz behalten zu den Menschen dort vorne am Rednertisch, sollen unabhängig berichten. Wer applaudiert, stimmt zu. Und was macht der Kritiker im Theater? Darf der klatschen?


Natürlich. Ein Kritiker ist auch nur ein Zuschauer, der einzige Unterschied besteht darin, dass er danach darüber schreibt.

Gerhard Stadelmaier, Theaterkritiker bei der FAZ

Es gibt keine Geste, die so sehr eine Gemeinschaft heraufbeschwört und trotzdem jedem Einzelnen die Möglichkeit bietet, sich abzusetzen. Kurzer Blick zur Seite, und man weiß Bescheid, wie dem Nachbarn der Theaterabend gefallen hat: Ob er reinhaut, bis die Handflächen brennen, oder ob er seine Hände gleich zwischen die Knie geklemmt hat.

Die Zuschauer gucken immer, wie es einem gefallen hat. Kritiker sollten nicht klatschen, genauso wenig wie sie buhen sollten.

Joachim Kaiser, Süddeutsche Zeitung

Eine Kritik ist subjektive Meinungsäußerung. Leser wollen wissen, ob der Kritiker berührt, begeistert, berauscht ist. Warum also nicht schon im Parkett damit anfangen?

Ich bin vor zwanzig Jahren mal von einer altehrwürdigen Kritikerin angehauen worden, als ich geklatscht habe. Das dürfen Sie doch nicht, sagte sie ganz entrüstet.

Peter Kümmel, Die Zeit

Aber vom Kritiker wird eben nicht nur Meinung erwartet. Sondern auch Analyse. Er soll den Theaterabend in seinem Kopf drehen und wenden wie ein Stiftung Warentest-Kontrolleur ein Rührgerät in seinen Händen. Verliert er also beim Klatschen den Abstand? Oder kann, sollte man den Schlussapplaus nicht vielleicht sowieso ganz anders verstehen?

Applaudieren ist für mich eine grundsätzliche Frage des Respekts gegenüber denen auf der Bühne, die sich zwei Stunden oder länger dem Publikum ausliefern.

Lena Schneider, Theater der Zeit

Wir, die Theatertreffen-Blogger klatschen. Wenn es uns gefällt.

–––

Alexandra Müller

Alle Artikel