Hinter der Kamera

Fotoprobe von „Gesäubert / Gier / 4.48 Psychose: Die ohnehin extrem kurze Probenzeit vor der Aufführung am Abend verkürzt sich extrem, wenn die Schauspieler mittags noch für die Fotokameras auf die Bühne müssen. Techniker, Beleuchter, Bühnenmeister und sämtliche Beteiligten auf unterschiedlichen Ebenen befinden sich unter Hochspannung – eine Inszenierung lässt sich schließlich nicht ohne weiteres von einer Bühne auf eine andere versetzen. Licht und Bühnenbild müssen den Gegebenheiten des neuen Hauses angepasst werden, die Schauspieler müssen mit veränderter Akustik kämpfen. Erstaunlich daher, dass weder die Schauspieler auf der Bühne noch Johan Simons und sein Team im Zuschauerraum nervös wirken.

Fotoprobe // Gesäubert / Gier / 4.48 Psychose. Foto: Nadine Loës.


Anspannung ist am ehesten noch bei den Fotografen und Journalisten zu bemerken: Für die Fotoprobe sind 30 Minuten veranschlagt. 30 Minuten, die ausreichen müssen, um die Stimmung, den Inhalt, das Bühnenbild und die Schauspieler in einem Foto einzufangen.
Das permanente Klicken der Kameras erfüllt den Raum beinahe mehr als die Stimmen der Schauspieler auf der Bühne, denen jedoch keine Irritation anzumerken ist. Diese Geräuschkulisse der Auslöser wird immer dann geradezu penetrant laut, wenn abzusehen ist, dass sich gleich jemand fast nackt zeigen könnte. Warum ist Nacktheit im Theater so interesssant für Fotografen? Oder kann dieses Phänomen auf die übersexualisierte Medienlandschaft zurück geführt werden?
Die Bilder von Nadine Loës richten ihren Fokus nicht auf die Nacktheit der Darsteller, sondern auf diejenigen, die diese fotografieren und die für gewöhnlich selbst nicht vor der Kamera stehen: die Fotografen – die auf den Bildern allerdings erstaunlich entspannt wirken.

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Nadine Loës

nadine-loes.de/

Nadine Loës, geboren 1979 in Stuttgart, lebt und arbeitet derzeit in München und Berlin als freiberufliche Mediengestalterin und Fotografin. Nach diversen Praktika in einem Theater, Fotostudio und Grafik-Büro in Stuttgart, entschied sie sich für eine Ausbildung als Mediengestalterin (Print) in Stuttgart, bevor sie nach München zog, um dort Fotografie zu studieren. Durch ein Praxissemester gelangte sie im Jahr 2006 an das BildMuseet nach Umeå in Schweden und danach durch ein Theateraustauschprojekt zwischen Brasilien und Deutschland, für das sie fotografierte, nach Rio de Janeiro. Seit 2011 nimmt sie an einem Postgraduiertenstudium für Fotografie an der Ostkreuzschule in Berlin teil.

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Adrian Anton

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Adrian Anton, 1978 in Bad Hersfeld geboren, lebt und arbeitet in Hamburg als „freier" Kulturwissenschaftler. In der Praxis bedeutet das vor allem Individualisierung, Flexibilität und Mobilität im (Bildungs-)Prekariat als Ergebnis eines Studiums mit Magister-Abschluss in Volkskunde/Kulturanthropologie, Anglistik und Museumsmanagement. Seine Berufserfahrungen reichen von Bestattungen über PR und Tagungsorganisation bis zu Museumspädagogik. Derzeit forscht und schreibt er unter anderem zum „armen Tod". Bei all dem „work in transit" bilden Theaterbegeisterung und der Wille zu schreiben Konstanten, etwa das seit 2009 aktive Blog „FLÜSTERN + SCHREIE".

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