So, nun ist er vorbei, der bereits im Vorfeld am Theatertreffen viel diskutierte Werkauftrag-Pitch des Stückemarkts. Wie es war? Nun, wie erwartet. Und dann auch wieder nicht.
Ich bin nicht ganz sicher, ob es eine gute oder eine schlechte Entscheidung von Stückemarkt-Leiterin Christina Zintl war, in ihrer kurzen Eröffnungsrede zum Werkauftrag-Pitch zu betonen, man kehre mit dem Stückemarkt zum Ursprungsgedanken des Marktplatzes zurück. Äußerungen dieser Art werden ja in der Theaterwelt für gewöhnlich eher mit gerümpften Nasen quittiert. Markt? Theater ist doch Kunst, nicht dem schnöden Mammon verfallen und schon gar nicht aktiv beitragender Teil eines auf Wettbewerb und Ausbeutung ausgerichteten neoliberalen Systems!
Nun, hier doch. Aber auch nicht so richtig. Der Werkauftrag-Pitch war eine unentschlossene Veranstaltung, schwankend zwischen Ernst und Klamauk. Ernst auf der Seite der Autor*innen: Für sie ging es schließlich um eine Uraufführung am Theater Dortmund und 7.000 Euro. Klamauk auf der Seite der Veranstalter: Sie entschieden sich dafür, einen mit blonder Perücke und weißem Anzug ausgestatteten Spaßmoderator (Maximilian Brauer) den Abend leiten zu lassen. Als dieser auch noch eine große rote Tröte hervorzog, mit der er Zeitüberschreitungen zu ahnden gedachte (oder dazu aufgefordert war), kringelte ich mich bereits peinlich berührt. Sollte das lustig sein? Ein ironischer Kommentar auf die gesamte Veranstaltung? Warum?
Eine knallharte Sache
Denn angesichts der nervösen Autor*innen (Jonathan Bonnici, Simone Kucher, Dino Pešut, Bara Kolenc und Atej Tutta sowie Pat To Yan), die auf einer kahlen Treppe darauf warteten, sich und ihre Konzepte im Pitch so gut wie möglich zu präsentieren, gab es dazu nun wirklich keinen Grund. „Pitch“ ist ein Begriff aus der Startup- und Wirtschaftsszene: Es handelt sich um eine prägnante, kurze Präsentation von Geschäftsideen, die Investoren überzeugen soll. Eine knallharte Sache also. Christina Zintl begründete die Entscheidung für dieses Format mit dem Wunsch, eine „transparente Diskussion über Kriterien“ bei der Vergabe von Werkaufträgen anzuregen und ein „partizipatorisches Verfahren“ einzuführen. Denn abstimmen konnten die Zuschauer – vor Ort in Berlin, vor Ort im Theater Dortmund (dorthin wurde ein Live-Stream gesendet) und im Internet (auch hier mit Live-Stream-Übertragung).
So waren nun die Stückemarkt-Autor*innen aufgefordert, sich mit ihrer Idee ihren „Investoren“, dem Publikum, in zehn Minuten und einem dreistufigen Verfahren zu präsentieren.
1. Stufe: Ein kurzes Video, das Autor*in und Arbeitsinteresse vorstellt.
2. Stufe: Ein Kurzvortrag des Autors/der Autorin
3. Stufe: Ein Ein- oder Ausblick in die geplante Arbeit in performativer Form
Danach hatten vier „Publikumsberater*innen“, bestehend aus Kay Voges (Intendant Theater Dortmund), Kathrin Röggla (Autorin), Janis El-Bira (Leiter dieses Blogs) und Markus Beckedahl (Chefredakteur netzpolitik.org) die Aufgabe, dem Autor/der Autorin jeweils eine Frage zu stellen. Worin auch ihre Aufgabe als Berater*innen des Publikums erschöpft war, denn mehr Beratung war offenbar nicht vorgesehen – es sei denn, man nutzte die Votingzeit von 30 Minuten, um auf eigene Faust das Gespräch zu suchen.
Wie zu erwarten haben sich die Pitchenden unterschiedlich gut geschlagen. Das Publikum vermutlich auch. Denn jeder Pitch fand in englischer Sprache statt (Simone Kucher wechselte in ihrer Face-to-Face-Präsentation zu Deutsch, wurde aber ebenfalls in einem englischen Video vorgestellt) und die Fremdsprache machte den einen mehr, den anderen weniger zu schaffen. Das zeigte sich vor allem in den eher theorielastigen Vorträgen von Dino Pešut und Pat To Yan, deren Gedankenspiralen ich nicht immer folgen konnte. Unter den Autor*innen waren auch zwei professionelle Performer*innen, die ihr Handwerkszeug in mehr oder weniger großem Umfang einsetzten und sich damit von den „Nur-Autor*innen“ abhoben.
Muss jetzt ein Teilchenbeschleuniger auf die Bühne?
Unterschiedlichste Arbeitsansätze, Interessensgebiete und Präsentationskonzepte trafen im Pitch also auf engstem Raum und in kürzester Zeit zusammen. Vergleichbar machte sie das nicht. Gewonnen haben schließlich Bara Kolenc und Atej Tutta mit ihrem Konzept für „Metamorphoses 4°: Blackholes“ – dem vierten Teil ihres vom slowenischen Kulturministerium geförderten Langzeitprojekts „Metamorphoses 1°- 5°“. Es war nicht die gelungenste Präsentation an diesem Abend, doch vielleicht haben einfach die Themen Angst und Paranoia das Publikum zu den Wahlurnen getrieben. Oder die Vorstellung, dass Kay Voges in Dortmund einen Teilchenbeschleuniger auf die Bühne hieven muss.
Die rote Tröte musste Maximilian Brauer nur zweimal im Laufe des Abends hervorholen. Er sah lächerlich damit aus und wirkte ziemlich deplatziert. Mit bewundernswerter Ausdauer versuchte er dennoch heldenhaft, dem Abend etwas Witz einzuhauchen. Vergeblich. Kein Wunder, denn selten war eine Veranstaltung witzloser als diese. Und selten wirkte Klamauk unpassender als hier.
Es war also weder eine gute noch eine schlechte Entscheidung von Christina Zintl, den Marktgedanken in ihrer Eröffnungsrede in den Vordergrund zu stellen. Es war richtig. Denn der Stückemarkt-Pitch war ein Marktplatz – auch wenn der Markt, wie Michael Wolf in einem empfehlenswerten Artikel auf nachtkritik.de ausführt, nur ein behaupteter war. Umso passender ist, was Christina Zintl den Kandidat*innen am Ende ihrer Rede mit auf den Weg in den Pitch gab: „Ganz viel Glück für eure Präsentationen!“ Und Glück hatten sie auch nötig. Denn die versprochene „transparente Diskussion über Kriterien“ – sie blieb aus. Und hätte womöglich die Entscheidung des Einzelnen ohnehin nicht beeinflusst. Denn unmittelbar nach dem Pitch habe ich ein paar Leute im Publikum gefragt, nach welchen Kriterien sie abgestimmt haben. Top-Antwort: „Nach persönlichem Interesse“. Und das ist ja bekanntlich eine höchst subjektive und tendenziell eher unklamaukige Angelegenheit.